Zollernalbkreis / Bregenz

Selbst die Enten schlafen nicht

08.08.2015

von Daniel Seeburger

Nessun dorma – niemand schlafe: Calaf konnte sich sicher sein, dass niemand schlief, als er seine große Arie auf der Seebühne in Bregenz schmetterte. Selbst die Enten waren hellwach und schnatterten.

Mit Giacomo Puccinis letzter, unvollendet gebliebener Oper ist das so eine Sache. Die Qualität der Musik ist unbestritten, wenn sich auch Kritiker schon früh über die kitschig wirkenden, nur in westlichen Ohren chinesisch klingenden fernöstlichen Klangeinschübe lustig machten. Die Geschichte selbst allerdings strotzt vor Ungereimtheiten.

Da ist die chinesische Prinzessin Turandot, die meint, den vor tausend Jahren verübten Mord an einer Vorfahrin rächen zu müssen und allen Prinzen, die um ihre Hand anhalten, drei Fragen stellt. Wird eine davon falsch beantwortet, hat der Prinz sein Leben verwirkt. Und da ist der alte Kaiser Altoum, der des Blutvergießens überdrüssig ist. „Basta sangue!“, „Genug des Blutes“ ruft er. Stoppen kann er das Gemetzel aber wegen eines Schwurs, den er seiner Tochter gab, nicht. Und dann ist da Prinz Calaf, der die drei Fragen beantworten kann, die junge Liu aber, die ihn heimlich liebt, dafür opfert. Bei Licht betrachtet ist Calaf also ein egoistischer Schuft.

Selbst die Enten schlafen nicht

© Daniel Seeburger

Die Reisegruppe des ZOLLERN-ALB-KURIERS vor dem Festspielhaus in Bregenz.

Und doch singt er mit „Nessun dorma“ eine der bekanntesten, schönsten und schwierigsten Arien der Operngeschichte. Rund 7000 Besucher warten zusammen mit 49 Leserinnen und Lesern des ZOLLERN-ALB-KURIERS auf diesen Auftritt von Prinz Calaf. Und sie werden nicht enttäuscht. Niemand möge schlafen in dieser Nacht, schmettert Calaf-Darsteller Marjukka Tepponen. Und niemand schläft. Selbst die Enten nicht, die sich rund um die Bühne im Bodensee tummeln und lauthals zu schnattern anfangen, als Tepponen zur großen Arie ansetzt. Die Opernliebhaber schmunzeln, denn mit einem solchen Chor im Hintergrund haben sie die Turandot noch nie gehört.

Die zeternden Enten gehören zu einem Open-Air-Opernspektakel am Bodensee dazu wie die Sorge um gutes Wetter. Denn sollte Sturm aufziehen, können sich nur die Besitzer der Karten für den ersten Rang in den gemütlichen Konzertsaal zurückziehen und das Ende des Werks genießen. „Wie ist das Wetter heute Abend“, kann man dann bei den ZAK-Reisenden immer wieder hören. Man hat Glück, der Sommerabend ist so lau, dass man selbst die Strickjacken hätte im Bus lassen können.

Vor der Aufführung wagen die ZAK-Leser einen Blick hinter die Kulissen von Turandot. Die beiden kompetenten Führerinnen vermitteln einen eindrucksvollen Einblick in die Abläufe und beantworten die Fragen zu Bühnenbild, Technik und Aufführung. Da kann man beispielsweise erfahren, dass die Soldatenfiguren der Terrakottaarmee, die von der Bühne ins Wasser marschieren, nach der letzten Aufführung versteigert werden.

Selbst die Enten schlafen nicht

© Daniel Seeburger

Die chinesischen Krieger, nachempfunden der Terrakottaarmee, marschieren in den Bodensee. Jede der 205 Figuren ist rund 500 Kilogramm schwer.

Doch zu den Festspielen gehört nicht nur die Aufführung auf der Seebühne. Das Flanieren auf der Strandpromenade ist ebenso Teil des Pflichtprogramms. Da stößt man dann auf Eisverkäufer, die den kühlen Schmelz auf vegane Art anbieten. Oder man kann sich an einer Strandbar mit Sandstrand Caipirinhas servieren lassen – allerdings ohne Opernklänge, dafür mit kubanischem Son in Buena-Vista-Social-Club-Manier. Ein Straßenmusiker versucht, unterstützt von seiner Gitarre, die Opernliebhaber mit eigenen Interpretationen von Jake-Bugg- oder Passengerstücken zu begeistern und bietet auch gleich noch seine selbst gebrannte „Live im Wohnzimmer“-CD an.

Nach der grandiosen Aufführung kommen die ZAK-Leser zufrieden zum Maas-Bus zurück und werden von Benedetto Bominita nach Hause chauffiert. Und sie sind sich einmal mehr sicher: Oper ist toll. Und in Bregenz sowieso.

Fotostrecke
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© Daniel Seeburger

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