Sigmaringen

Strafanzeige gegen Sigmaringer Notfallpraxis

08.06.2017

von sz

Die unterlassene Hilfeleistung gegenüber einer Asylbewerberin hat ein juristisches Nachspiel.

Die kassenärztliche Vereinigung muss sich mit einer Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung auseinandersetzen. Susanne Fuchs und Alfred Sesterhenn haben bei der Staatsanwaltschaft Hechingen Strafanzeige gestellt.

Ihre Anzeige bezieht sich auf einen Fall, über den die Schwäbische Zeitung vergangene Woche berichtet hat. So soll einer Bewohnerin der Erstaufnahmestelle Sigmaringen in der Notfallpraxis beim Krankenhaus die Behandlung verweigert worden sein, obwohl sie sich vor Schmerzen krümmte. Die diensthabende Ärztin habe die Abweisung mit Sprachbarrieren begründet.

In dem an die Staatsanwaltschaft Hechingen gerichteten Schreiben heißt es: Am Empfang der Notfallpraxis sei der schmerzgeplagten Patientin von zwei diensthabenden Damen der Einlass und die Aufnahme sowie jegliche medizinische Untersuchung und Behandlung verweigert worden. Wie berichtet, hatte die Asylbewerberin starke Schmerzen in der Magengegend. Bei einer Untersuchung im Krankenhaus stellte sich später heraus, dass ein Nierenstein den Harnleiter versperrte. Die Frau musste operiert werden.

Die Patientin und ihr Ehemann sind über das Schreiben an die Staatsanwaltschaft informiert worden. Die Urheber der Anzeige haben für das Ehepaar eine Patenschaft übernommen, sie unterstützen sie in Alltagsfragen und helfen ihnen beim Erlernen der deutschen Sprache. Alfred Sesterhenn übt auch Kritik an der Stellungnahme der kassenärztlichen Vereinigung, aus der keinerlei Einsicht hervorgehe: „So muss man Angst haben, dass die genauso weitermachen“, sagt der Pate. Aus Sicht des früheren Professors der Hochschule, der Flüchtlinge in Deutsch unterrichtet, darf Integration keine Einbahnstraße sein.

„Es muss auch von unserer Seite der Wille der Integration erkennbar sein“, sagt er in Richtung der Ärztin, die der Frau die Behandlung verweigert hatte. Die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Krankenhaus gelegene Praxis versorgt weniger akute Fälle. Hier sollte der 24-Jährigen geholfen werden, doch zu einer Behandlung kam es nicht. Die kassenärztliche Vereinigung (KV) weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass eine Verständigung zwingend erforderlich sei, da ein Patient sonst nicht behandelt werden könne. Die Beschwerden der Frau seien nicht offensichtlich gewesen, einen Nierenstein im Harnleiter ohne Kommunikation festzustellen, sei kaum möglich – so die KV. Dass die Patientin rausgeschmissen worden sei, weist die kassenärztliche Vereinigung entschieden zurück.

Ein zufällig vor der Praxis vorbeikommender Patient des Krankenhauses bekam die Diskussionen mit und wies der Patientin den Weg ins Krankenhaus. Dort wurde sie unkompliziert und schnell behandelt. Ähnlich ergangen ist es vor einigen Tagen einem Vater aus Bad Saulgau. Sein zweijähriger Sohn stolperte bei einem Besuch des Campus Galli und zog sich dabei am Unterarm eine vier Zentimeter lange Platzwunde zu. Zur Erstversorgung fuhr die Familie in die Sigmaringer Notfallpraxis und handelte sich dort ebenfalls eine Abfuhr ein.

„Kinder dürfen nicht angenommen werden“, schildert der Vater Stefan Merk die Aussage einer Helferin. Die Mitarbeiter sollen sich geweigert haben, den Jungen anzusehen, obwohl es sich bei der Verletzung um mehr als einen Kratzer handelte. „Eine klaffende Wunde von vier Zentimetern, das ist bei einem Zweijährigen so lang wie ein halber Unterarm“, sagt Stefan Merk.

Ein vorbeikommender ehrenamtlicher Sanitäter bot an, einen Krankenwagen zu rufen, der den Jungen in eine Kinderklinik transportieren sollte. Doch die Familie fand dies überzogen und entschied, es in der Notaufnahme des Krankenhauses zu versuchen. Dort musste sie zwar drei Stunden warten, doch das Kind wurde ärztlich versorgt.

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