Villingendorf

Sie haben ihn: Drazen D. sitzt im Gefängnis

20.09.2017

von Peter Arnegger (NRWZ) und Michael Würz

Erleichterung bei Polizei und Staatsanwaltschaft: Sie haben den mutmaßlichen Dreifachmörder von Villingendorf geschnappt. Mit interaktiver Chronik

Der 40-Jährige war Dienstagabend in Rottweil-Neufra gefasst worden. „Ich bin der, den ihr sucht”, soll er den beiden Rottweiler Streifenbeamten, 33 und 39 Jahre alt, gesagt haben. Nun aber schweigt er. Damit sind noch viele Fragen für die Ermittler offen – auch unbequeme zur Vorgeschichte der Tat. Der 40-jährige Drazen D. hat, davon gehen die Ermittler aus, am Donnerstag vergangener Woche seinen sechsjährigen Sohn, dessen Cousine und den neuen Partner seiner Ex-Frau getötet. Mit einem Nachbau eines ehemaligen Militärgewehrs, einer Langwaffe, die er zum besseren Transport auf 53 Zentimeter Länge gestutzt hat.

Sie haben ihn: Drazen D. sitzt im Gefängnis

© Benno Schlagenhauf

Hier, in der Spaichinger Straße in Rottweil-Neufra, war der erschöpfte Tatverdächtige zu Fuß unterwegs. Er war noch immer bewaffnet. Anwohner erkannten den Mann und riefen die Polizei.

Heimtückisch, weil er die Arglosigkeit der Opfer ausgenutzt habe. Es ist also Mord gewesen, Dreifachmord. Zuvor bereits hatte er Hang zur Gewalt an den Tag gelegt, das ist aktenkundig. Der Neuen Rottweiler Zeitung gegenüber bestätigte der Ermittlungschef und stellvertretende Polizeipräsident Gerold Sigg das: Die Ex-Frau des mutmaßlichen Mörders hatte gegen ihn einen Gerichtsbeschluss erwirkt. Ihr hatte er sich seit März 2017 nicht mehr nähern dürfen. Und nach Einschätzung der Ermittler auch seinem Sohn nicht. Der Auslöser war ein früherer Übergriff auf seine Frau.

Es gab ein unbefristetes Annäherungsverbot, erlassen vom Amtsgericht Tuttlingen. Auch eine sogenannte Gefährdersprache habe stattgefunden, sagt Sigg. Die Ex-Frau sei von der Polizei „sehr umfänglich” unterrichtet worden, was „im Falle verdächtiger Unternehmungen zu tun” sei. Weiteres müsse nun in den kommenden Wochen geklärt werden. Unklar ist damit auch noch, woher der Mann die Adresse seiner ehemaligen Familie in Villingendorf hatte. Die Frau, die nicht angeschossen worden ist und zu einer Nachbarin flüchten konnte, war danach mit einem Rettungswagen in eine Klinik gebracht worden. Offenbar unter Polizeischutz, wie Sigg betonte.

Sie haben ihn: Drazen D. sitzt im Gefängnis

© Benno Schlagenhauf

Die Ermittler gaben in einer Pressekonferenz Einzelheiten bekannt.

Drazen D. ist offenbar nach der Tat zunächst nach Herrenzimmern gefahren, hat dort sein Fluchtauto abgestellt und ist in den Wald gegangen. Dort muss er ziellos umher geirrt und immer wieder seinen teils mehr als hundert Verfolgern von der Polizei entkommen sein. Bis er in Neufra auftauchte. „Ziemlich platt”, wie ihn die Streifenpolizisten beschrieben, die ihn festgenommen haben. Sie hatten keinerlei Mühe, den 40-Jährigen in ihren Streifenwagen zu verfrachten. Der Festgenommene habe erschöpft gewirkt. Und so, als habe er sich die Tage zuvor nur im Freien aufgehalten. Er war total durchnässt.

D. war einigen Neufraer Bürgern zuvor aufgefallen, mit seinen drei Plastiktüten, mit denen er umher schlich. In einer: die Tatwaffe. Er lief erst Richtung Frittlingen, dann wieder in den Ort. Zwei Bürger riefen die Polizei. Die nahm ihn in der Spaichinger Straße fest. Im strömenden Regen hatte er unter einem Baum Schutz gesucht. Bei der Tatwaffe handelt es sich laut Ermittlungsleiter Rolf Straub um einen jugoslawischen Nachbau des deutschen Mehrladekarabiners K98k. In der U-Haft allerdings schweigt D. nun.Die Angehörigen der Opfer werden von Seelsorgern betreut. Sie hatten laut Ermittlungsleiter Straub nach der blutigen Tat die schwere Aufgabe, die Toten identifizieren zu müssen. Allerdings kann nun die Trauerfeier geplant werden. Während einer turnusgemäßen Schulversammlung am Dienstagabend ist der Opfer gedacht worden. Die Presse war dazu nicht zugelassen worden, nachdem ein für RTL und andere Privatsender arbeitendes Fernsehteam aus Mannheim am Morgen unvermittelt in den Räumen der Erstklässler an der Villingendorfer Schule aufgetaucht war.

An dieser Schule sollte eigentlich der getötete Sechsjährige sein. Er war gerade eingeschult worden.

 

Eine interaktive Chronik der Ereignisse (zur Vollbildversion):

 

Karte und Chronik: Pascal Tonnemacher

 

Diesen Artikel teilen: