Balingen/Hechingen

Drei Jahre Haft für Übergriff am Bahnhof

13.03.2018

von Michael Würz

Das Landgericht hat den Somalier, der am Balinger Bahnhof eine 17-Jährige sexuell genötigt hat, zu drei Jahren Haft verurteilt.

„Wir möchten mit dem Urteil ganz deutlich zum Ausdruck bringen, dass Sie ein Verbrechen begangen haben“, erklärte der Vorsitzende Richter Dr. Hannes Breucker am Dienstagnachmittag das Urteil der Kammer. Staatsanwalt Markus Engel hatte zuvor in seinem Plädoyer eine sechsjährige Haftstrafe gefordert. Rechtsanwalt Axel Kästle, der den Angeklagten verteidigt, hatte in seinem Plädoyer hingegen eine zweijährige Freiheitsstrafe als angemessen bezeichnet.

Drei Jahre Haft für Übergriff am Bahnhof

© Nicole Leukhardt

Der Bahnhof in Balingen.

Dass das Gericht dem Angeklagten nicht noch eine deutlich höhere Strafe aufbrummte, habe dieser zwei Umständen zu verdanken, erklärte Richter Breucker: zum einen, weil es nicht zu einer vollendeten Vergewaltigung gekommen ist. Zum anderen, weil der Sachverständige – laut Gericht ein renommierter Experte auf dem Gebiet der interkulturellen Psychologie – dem Angeklagten schwere psychische Krankheiten attestierte: „Er war psychotisch, paranoid und halluzinatorisch. Ein ernstzunehmendes Gespräch mit ihm war nicht möglich.“

Zwar dürfte seine Erkrankung laut Gutachter, der betonte, sich mit der ganz genauen Beurteilung schwer zu tun, zum Tatzeitpunkt nicht derart dramatisch ausgeprägt gewesen sein wie später im Gefängnis. „Dennoch kann es sein, dass Sie bei der Tat zumindest nicht vollkommen gesund waren“, sagte Richter Breucker in seiner ausführlichen Urteilsbegründung.

Ein Beamter des Polizeireviers Hechingen hatte zuvor weitere Einblicke in das Geschehen gegeben, das sich am Abend des 13. Oktober am Balinger Bahnhof abgespielt hatte. Wie bereits berichtet, hatte der Angeklagte an jenem Tag Ärger bekommen, weil er in der Bahnhofsgaststätte in Hechingen eine Portion Pommes und ein Wasser nicht bezahlen konnte.

Mangels Ausweispapieren brachten die Polizisten den Angeklagten dann zum Polizeirevier in Balingen, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. „In seinen Sachen haben wir einen Aufenthaltstitel aus Heidelberg gefunden“, erklärte der Polizist. In der dortigen Flüchtlingsaufnahmestelle sei abends jedoch telefonisch niemand mehr zu erreichen gewesen. „Nach 20 Uhr hören Sie da nur noch die Bandansage.“ Die Polizisten fuhren den Angeklagten deshalb an den Balinger Bahnhof. „Wir haben ihm die Adresse der Erstaufnahmestelle Heidelberg auf einem Zettel mitgegeben.“

Nur wenige Minuten später, die Beamten waren noch auf dem Rückweg nach Hechingen, hätten sie bereits über Funk mitbekommen, dass am Balinger Bahnhof etwas Größeres passiert sei, berichtete der junge Beamte. Da in Balingen alle Streifen ausgebucht gewesen seien, hätten sich die Polizisten aus Hechingen direkt wieder auf den Weg nach Balingen gemacht. „Ich habe den Angeklagten dann mit Handschellen fixiert“, erklärte der Beamte, dem aufgefallen war: „Für das, was eigentlich passiert sein sollte, hat sein Verhalten nicht gepasst. Er war auffallend ruhig.“

Den Bahnhofsstammgast, der den Angeklagten schwer belastet hatte, beschrieb der Polizeibeamte als angetrunken. Ein Atemalkoholtest bei ihm hatte 1,2 Promille ergeben. „Er konnte meinen Fragen nicht richtig folgen“, sagte der Polizeibeamte. Der Glaubwürdigkeit des 17-jährigen Opfers tat das in der Verhandlung keinen Abbruch, wie auch Staatsanwalt Markus Engel in seinem Plädoyer ausdrücklich betonte: „Welchen Anlass gäbe es denn für sie überhaupt, die Unwahrheit zu sagen?

Am Ende war die Kammer sicher: Der Angeklagte wusste am Tatabend, was er tat, wusste vor allem, dass die sexuelle Nötigung genau wie Körperverletzung strafbar ist. „Die Anklage der Staatsanwaltschaft hat sich hundertprozentig bestätigt“, sagte Richter Breucker.

Drei Jahre Haft für Übergriff am Bahnhof

© Michael Würz

Hat durch Zivilcourage Schlimmeres verhindert: Peter Seifert, Chef des Balinger Bahnhofs, hier vor dem Landgericht Hechingen.

Schlimmer noch als die sexuelle Nötigung – der Angeklagte soll sich auf die Jugendliche gesetzt, ihr zwischen die Beine und an die Brust gefasst haben – müsse für die 17-Jährige die Todesangst gewesen sein, von der sie dem Gericht am ersten Verhandlungstag berichtet hatte. Als traurig bezeichnete Richter Breucker, dass mindestens ein unbekannter Zeuge einfach weitergegangen sei, ohne dem Opfer geholfen zu haben. Seinen Dank richtete Breucker daher erneut an Bahnhofsbesitzer Peter Seifert. „Er hat mit Zivilcourage Schlimmeres verhindert.“

Wird das Urteil – drei Jahre Haft – rechtskräftig, wird die Ausländerbehörde den Verurteilten am Ende seiner Haftstrafe laut Gericht abschieben.

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