Balingen

Willig macht nächsten Schritt

28.04.2018

von Marcel Schlegel

Der frühere Balingen-Coach übernimmt zur neuen Runde die A-Junioren des VfB Stuttgart.

Er mag diesen Begriff nicht, doch de facto hat Fußballtrainer Nico Willig den nächsten Schritt auf der Karriereleiter genommen. Zur neuen Saison wird der aktuelle Coach der U 17 des VfB Stuttgart die U 19 übernehmen. Damit spielt der frühere Balinger Spielführer, Jugendkoordinator und Trainer bei der Neuausrichtung des Stuttgarter Nachwuchsbereichs, den künftig neben dem sportlichen Leiter Michael Gentner der frühere Nationalspie-ler Thomas Hitzlsperger als Direktor des Nachwuchsleistungszentrums verantwortlich betreuen wird, eine wesentliche Rolle.

Willig ist der ideale Kandidat

Willig, der über die Fußball-Lehrer-Lizenz des DFB verfügt, stellt für die Verantwortlichen den idealen Kandidaten dar. Einerseits ob seiner fachlichen Kompetenz, ferner weil ihm der sportliche Erfolg mit der U 17 Recht gibt und auch, weil der Balinger die beiden künftigen Stuttgarter U 19-Jahrgänge selbst schon betreute und sportlich voranbrachte. „Beim Zusammenfügen dieser Jahrgänge und um die Jungs auf ihren letzten Schritten nach oben zu optimieren, ist meine Vorkenntnis sicherlich ein Pluspunkt“, sagt Willig selbst. Seine umfangreiche Erfahrung im Jugendbereich dürfte dem früheren Verteidiger ebenfalls zugutekommen. Bei der TSG Balingen und bei den Stuttgarter Kickers coachte Willig bereits A-Jugend-Teams. Daran habe er „sehr positive Erinnerungen“ und bereits Erfahrung, „was diese Altersstufe erfordert und wie die Jungs ticken“, berichtet Willig.

Gute Ideen müssen gelebt werden

Rund acht Millionen Euro steckt der VfB künftig in das Nachwuchsleistungszentrum. Das Ziel des A-Jugend-Rekordmeisters: bei der Ausbildung der Talente schnellstmöglich wieder auf Augenhöhe zu den Branchenführern Bayern München, RB Leipzig, Borussia Dortmund oder TSG Hoffenheim kommen. Dafür schaute sich der frühere HSV-Sportchef Peter Knäbel, nun externer Berater und Nachwuchsexperte, drei Monate die internen Prozesse beim VfB an. „Wir optimieren unsere Abläufe nun auf der Basis seiner Vorschläge“, sagt Willig. Der Ansatz eines „Expertenblicks von außen“ sagt ihm zu. „Dieser hat bereits einige gute Ideen hervorgebracht. Es wird nun an den Mitarbeitern sein, diese zu entwickeln, zu leben und es wird auch seine Zeit brauchen, bis die Früchte dieser Saat sichtbar werden.“

Zweite Mannschaft wird zur U 21

Gut 170 Spieler bilden die Schwaben aktuell in den Altersstufen U 11 bis U 21 aus. Gerade die U 23, der auch der Ebinger Jan Ferdinand angehört, war zuletzt intern wie extern ein heißes Eisen gewesen, lange Zeit stand ihr Fortbestand auf der Kippe. Nun steht fest: Die zweite Mannschaft bleibt erhalten, wird aber zur U 21. Trainiert wird das Regionalliga-Team vom ehemaligen Wiesbaden-Cheftrainer Marc Kienle.

Willig freut sich auf hohes Level

Erst vergangene Woche hat sich Willig das U 19-Bundesliga-Topspiel zwischen Hoffenheim und Bayern angeschaut und festgestellt: „Da waren sehr viele richtig gute Fußballer dabei – und das Spielniveau war insgesamt beeindruckend. Schon beim Zuschauen habe ich mich auf die Herausforderung gefreut, bald auf diesem Level arbeiten zu dürfen.“ Noch kümmert sich Willig derweil um die U 17 und befindet sich mit dieser in Schlagdistanz zu Bayern auf Platz eins. Was ist das Saisonziel? „Dieses ist nicht an einen Tabellenplatz gebunden“, antwortet der frühere Balinger. „Aber der Tabellenstand wird immer gut sein, wenn das primäre Ziel erreicht wird: besondere Leistungssprünge von Spielern zu erreichen. Und das ist uns im Trainerteam diese Saison sehr gut gelungen.“

 

Kommentar: Zurück in den Spitzenbereich

Einst gehörte die A-Jugend des VfB Stuttgart zum Besten, was der deutsche Nachwuchsfußball zu bieten hatte. Als sich noch kaum jemand für Talentförderung interessierte, etablierte man beim VfB im Jugendbereich professionelle Strukturen. Der Lohn: Keine A-Jugend sammelte mehr Bundesliga-Wimpel als die des VfB (10). Längst jedoch haben die Trophäen Patina angesetzt. Den Ton geben auch im U 19-Bereich andere an. Spätestens als der DFB die Nachwuchsleistungszentren für Profivereine zur Lizenzbedingung machte, holte die finanzstarke Konkurrenz den VfB ein – auch, weil man am Wasen mit dem Budget vieler Konkurrenten nicht mithalten kann.

Die Ausbildung junger Spieler wurde aufgrund der exorbitant hohen Transfersummen im Profibereich immer attraktiver. Schon früh werden da Talente geholt, vielfach aus dem Ausland – und die Familien gleich mit. Will man den VfB also mit Mäzen-Klubs wie Leipzig vergleichen, wird man ihm nicht gerecht. Gemessen an den finanziellen Möglichkeiten, kann sich die Stuttgarter Nachwuchsarbeit nämlich immer noch sehen lassen: Bernd Leno aus Bietigheim fristete beim VfB ein Dasein als Nummer zwei und reifte erst in Leverkusen zum Nationalkeeper heran; der Biberacher Loris Karius ging durch die VfB-Jugend, nun hütet er das Tor des FC Liverpool; Joshua Kimmich aus Bösingen verließ die Schwaben im letzten U 19-Jahr in Richtung des damaligen Drittligisten Leipzig, dann holten ihn die Bayern. 

Vorwerfen lassen müssen sich die Württemberger also nicht, nicht genügend Talente zu Profis zu machen. Vielmehr müssen sie sich in Bad Cannstatt fragen, warum man beim VfB so oft den Wert vieler Eigengewächse verkannte. Das soll sich nun mit den Umstrukturierungen im Jugendbereich ändern. Der VfB setzt dabei auf weiche Werte wie Identifikation, Region und auf fachliche Kompetenz – und nicht nur auf Millionen.

Willig macht nächsten Schritt

ZAK-Sportreporter Marcel Schlegel

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