Balingen/Meßstetten

Polizei hofft nach Flugzeugabsturz auf Zeugenhinweise

09.05.2018

von Benno Schlagenhauf

Warum die beiden Segelflugzeuge am Dienstagabend über der Lochen zusammengestoßen sind, ist noch unklar. 

Dass am Dienstagabend ein Segelflugzeug direkt bei der Lochen-Jugendherberge abgestürzt ist, könnte man am nächsten Morgen beinahe übersehen. Bis auf kleines Häufchen mit letzten Trümmerresten und übriggebliebenem Polizei-Absperrband ist an der Absturzstelle nichts mehr von der Beinahe-Katastrophe zu sehen.

Gegen 17.20 Uhr stürzte am Grillplatz der Jugendherberge ein Segelflugzeug ab, das zuvor in der Luft mit einem zweiten Segelflugzeug kollidiert war.

Polizei hofft nach Flugzeugabsturz auf Zeugenhinweise

© Daniel Seeburger

Der Morgen danach: Am Mittwochmorgen ist nach dem Großeinsatz um den Flugzeugabsturz Ruhe in der Jugendherberge eingekehrt.

Wie es zu dem Unfall der beiden Segelflieger kam, ist noch unklar. Die beiden Unfallbeteiligten, ein 50-jähriger Mann in einem Einsitzer sowie ein 30-jähriger Pilot mit seinem gleichaltrigen Co-Piloten in einem Doppelsitzer hatten an einem Wettbewerbsflug teilgenommen und waren auf der Hahnweide bei Kirchheim/Teck gestartet.

Polizei hofft nach Flugzeugabsturz auf Zeugenhinweise

© Daniel Seeburger

Lediglich letzte kleine Trümmerreste deuten auf das Unglück vom Dienstagabend hin.

Die Polizei ist mit den Ermittlungen erst am Anfang – und muss auf die Experten vom Bundesamt für Flugunfalluntersuchung verzichten: „Da der Unfall glimpflich ausgegangen ist, ist der Fall für das Bundesamt nicht interessant“, erklärt Michael Aschenbrenner vom Tuttlinger Polizeipräsidium. „Ich gehe davon aus, dass die Ermittlungsführung bei uns, dem Kriminalkommissariat Balingen und der Hechinger Staatsanwaltschaft liegen wird.“

Alle Beteiligten hatten an diesem Tag einen Schutzengel: Die Segelflieger konnten sich mit Fallschirmen retten und kamen mit leichten Verletzungen davon, einige Kinder in der Jugendherberge zogen sich, als sie sich in Sicherheit bringen wollten, bei Stürzen leichte Verletzungen zu. „Ein 16-Jähriger soll von einem kleinen Trümmerstückchen getroffen und ebenfalls leicht verletzt worden sein, aber das wird derzeit noch überprüft“, berichtet Aschenbrenner.

Wie lange sich die Ermittlungen zum Unfallhergang und -ursache ziehen werden, ist noch unklar: „Mit so etwas haben wir hier natürlich auch eher selten zu tun“, erklärt Aschenbrenner. „Auch weil das Bundesamt nicht dabei ist, kann ich noch gar nicht abschätzen, wie lange das dauern wird.“

Derzeit wird geprüft, ob es in den Flugzeugen möglicherweise ein Aufnahmegerät gegeben hatte, das Hinweise auf die Unfallursache geben könnte, was bei kleineren Flugzeugen keine Selbstverständlichkeit ist. 

Die Unfallbeteiligten wurden unterdessen noch nicht nähers zum Geschehen befragt: „Priorität hatte natürlich erst einmal die ärztliche Versorgung“, erklärt Aschenbrenner. „Die ausführliche Vernehmung folgt erst noch.“

Die Ermittler hoffen auch noch auf Zeugenhinweise, denn obwohl die Schülergruppe, die auf dem Grillplatz der Jugendherberge das Unglück hautnah mitbekommen hat, geben die Aussagen wenig Aufschluss über den Unfallhergang. „Es hat natürlich jeder zum Himmel geguckt, als es geknallt hat“, erklärt Aschenbrenner. „Uns interessiert aber besonders, was vor der Kollision geschah.“

Im Raum steht derzeit, ob eine Anzeige wegen Gefährdung des Luftverkehrs oder lediglich wegen fahrlässiger Körperverletzung gestellt wird. Bei Ersterem müssten laut Aschenbrenner ein grobes Fehlverhalten zugrunde liegen. 

Die Fahrbahn am Lochenpass, auf die ebenfalls Trümmerstücke gestürzt waren, habe laut ersten Erkenntnissen keine Schäden davongetragen. Nachdem die Landstraße nach dem Absturz gesperrt worden war, konnte sie gegen Mitternacht wieder geöffnet werden.

Update, 12 Uhr: Schüler reisten vorzeitig ab

Die Schülergruppe vom Gymnasium Gosheim-Wehingen ist noch am Dienstagabend aus Tieringen abgereist. Nicht im Bus, der die rund 100 Schüler im Alter von 10 bis 17 Jahren bei ihrer musikalischen Freizeit begleitet hatte. Die besorgten Eltern holten ihre Kinder in der Jugendherberge ab. Die Jungen und Mädchen waren erleichtert, sich in der Umarmung von Müttern und Vätern nach diesem Erlebnis geborgen zu fühlen, informiert Schulleiterin Eva Jäger.

Diese Freizeit für Schüler ab Klasse fünf bis zur Kursstufe finde regelmäßig für die Mitwirkenden in den Chören und Musikgruppen des Gymnasiums statt. Um Zeit und Logistik für die aufwendige Verpflegung zu sparen, habe man erstmals in der Jugendherberge in Tieringen Quartier bezogen. Die Freizeit wäre planmäßig am Mittwoch zu Ende gegangen. Die Schule habe es allen Teilnehmern freigestellt, am Mittwoch den Unterricht zu besuchen oder das Erlebte in der vertrauten Umgebung des Elternhauses zu verarbeiten.

Einige seien ganz normal zur Schule gekommen, andere seien zu Hause geblieben. Noch am Vormittag habe  sich das Krisenteam des Gymnasiums zusammengesetzt, um zu beraten, wie die Jugendlichen bei der Verarbeitung des Unglücks begleitet und betreut werden. Auch Eva Jäger spricht von „Glück im Unglück“ und ist, wie alle Gosheimer, mehr als erleichtert über den glimpflichen Ausgang, den der Absturz der beiden Segelflugzeuge für alle Beteiligten genommen hat.

In der Gemeinde selbst hat sich das Geschehen an der Lochen und die große Gefahr, in der die Jugendgruppe schwebte, über die sozialen Netzwerke noch am Dienstabend in Windeseile verbreitet. gs

 

Update, 17 Uhr: Beim Segelflugwettbewerb geht es nach einem Ruhetag normal weiter

Bei den drei Fliegern handle es sich um erfahrene Wettbewerbspiloten, informierte auf unsere Anfrage Reinhard Diez. Er ist zweiter Vorsitzender der Fliegergruppe Wolf Hirth, die den Hahnweidewettbewerb zum 52. Mal ausrichtet. Warum der Doppel- und Einsitzer in der Luft zusammengeprallt sind, stellt auch die Fliegerkollegen in Kirchheim vor ein großes Rätsel. Diez will sich jedoch an keinerlei Spekulationen beteiligen und das Ergebnis der Ermittlungen abwarten.

Der Veranstalter und die Wettbewerbsteilnehmer jedenfalls seien mehr als erleichtert, dass der Zusammenprall in keiner Katastrophe geendet hat. Dass Segelflugpiloten Rettungsschirme mit an Bord haben, sei zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, in Fliegerkreisen aber üblich. Es gebe einfach ein besseres Gefühl, so Diez. Die Wettbewerbsleitung ließ am Dienstag alle Teilnehmer ihre Tagesaufgaben trotz des Unfalls zu Ende fliegen, um ein mögliches Risiko durch die zu erwartenden gehäuften Anflüge nach Abbruch des Rennens zu vermeiden.

Heute wurde nach all der Aufregung ein Ruhetag eingelegt. Die drei verunglückten Piloten kehrten am Dienstag nach der Kontrolluntersuchung im Krankenhaus auf das Fluggelände in Kirchheim zurück.

Susanne Lutter, Leiterin der Jugendherberge auf dem Lochen, sagt am Mittwoch auf Anfrage: „Es war eine ausgesprochen gute Zusammenarbeit mit Schülern, Lehrern und Rettungskräften. Heute am Tag danach steckt uns zwar der Schrecken noch in den Knochen, aber es hat sich alles beruhigt, die Kinder sind gut nach Hause gekommen und wir sind alle froh, so viele Schutzengel gehabt zu haben.“  gs/nic

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