Zollernalbkreis

Wo bleibt die Menschlichkeit?

04.08.2018

von Klaus Irion

An verbale Provokationen aus den Reihen der AfD hat man sich leider ja fast schon gewöhnt. Kommentar

Sind sie erst mal unters Volk gestreut, werden sie gern auch wieder revidiert. Im Wissen, dass von dem zuerst Gesagten immer irgend etwas hängenbleibt. Anders sieht es aus, wenn die Provokationen niedergeschrieben werden. Sie bleiben existent, zumal wenn sie via Internet verbreitet wurden. Und so macht der AfD-Politiker Emil Sänze auch gar keine Versuche, seine jüngst niedergeschriebenen abfälligen Bemerkungen zurückzunehmen.

Der Landtagsabgeordnete des benachbarten Wahlkreises Rottweil und stellvertretende Fraktionsvorsitzende hatte sich auf seiner Facebookseite bereits vor über einer Woche ausführlich unter dem Titel „Muhterem Aras‘ peinliche Selbstinszenierung im Konzentrationslager“ über die Gedenkstättenreise der baden-württembergischen Landtagspräsidentin ausgelassen. Eine Station der Reise war die Gedenkstätte des KZ Natzweiler-Struthof im Elsass, dessen KZ-Außenlager von den Nazis einst in Bisingen, Frommern, Erzingen, Dormettingen, Dautmergen, Schömberg und Schörzingen errichtet worden waren. Stichwort: Unternehmen Wüste.

Sänze spricht in seinem Facebook-Posting Aras allein wegen ihrer türkischen Herkunft die Legitimität ab, über das damalige Treiben der Nazis zu referieren. Das wiederum ruft nun selbst AfD-parteiintern Kritik hervor.

Herre versus Sänze

Am Mittwoch veröffentlichte eine Fraktionsminderheit von vier baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten – unter ihnen Balingens Abgeordneter Stefan Herre – eine Pressemitteilung, in denen sie sich von Sänzes Äußerungen distanzieren und erklären, dass dieser in seiner Funktion als Presseverantwortlicher der AfD-Fraktion nicht für alle Fraktionsmitglieder gesprochen habe.

Zitat: „Der politische Diskurs erlaubt, ja, er erfordert gelegentlich robuste Formulierungen.“ Dass aber der Stil, dessen sich Herr Sänze ausweislich einer Pressemitteilung im Namen der AfD-Fraktion bedient habe, tatsächlich für deren Mehrheit stehe, sei falsch. „Diese Presseerklärung war nicht von der Fraktion autorisiert und dokumentiert persönliche Befindlichkeiten des Presseverantwortlichen gegen Frau Aras“, erklärten Herre und seine drei Mitunterzeichner.

Mehr noch, sie fordern Sänze auf, persönliche Konsequenzen zu ziehen, denn: „Die AfD steht für Anstand und bürgerliche Umgangsformen – auch und gerade in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner ... Wer dazu außerstande ist, ist als Presseverantwortlicher ungeeignet und sollte sich freiwillig ins zweite Glied verabschieden.“ Nur um sich einen Satz später höchstselbst an Frau Aras abzuarbeiten. Denn wörtlich steht in der Pressemitteilung auch: „Frau Aras bietet im Übrigen genug Anlässe zur sachlichen Kritik: vor allem ihre von Anflügen von Narzissmus nicht freie Selbstdarstellung außerhalb des Parlamentes, oder ihre teils unsouveräne Führung mancher Landtagsdebatten.“

Stauffenberg wird diffamiert

Wie der „Zufall“ so will, war dieser AfD-interne Zwist nicht der einzige in dieser Woche, der in den Zollernalbkreis ausstrahlt. Am Donnerstag sahen sich die AfD-Bundessprecher Professor Jörg Meuthen und und Dr. Alexander Gauland wieder einmal genötigt, Beleidigungen aus der rechtsradikalen AfD-Ecke zu widersprechen.

Verbal zugelangt hatte der Vorsitzende der niedersächsischen Jungen Alternative, Lars Steinke. Wie er auf Nachfrage überregionaler Medien bestätigte, hatte er auf seinem nichtöffentlichen Facebook-Profil Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg wie folgt diffamiert: „Stauffenberg war ein Verräter, der bereit war, Millionen von Leben zu riskieren und zu opfern – ohne erkennbaren Nutzen für das deutsche Volk.“ Für Steinke war Stauffenberg darüber hinaus „kein Held und der 20. Juli 1944 kein Glanzstück. Es war der beschämende Versuch eines Feiglings die eigene Haut vor dem kommenden Sieger zu retten“.

Man wünscht sich, Sänze und Steinke wären am 20. Juli dieses Jahres in Albstadt-Lautlingen bei der Stauffenberg-Gedenkfeier dabei gewesen. Dort hätten sie erlebt, wie man sich in angemessener Weise der beiden Themen Unternehmen Wüste und Widerstand der Gruppe um Stauffenberg erinnert. Themen, die sich die beiden Menschenfeinde in negativer Weise zu Nutze machen, um sich ganz rechts außen zu profilieren.

So bitter dies klingt: Man muss in dieser Gemengelage ja fast schon froh sein, dass mit Kreisarchivar Dr. Andreas Zekorn im Lautlinger Stauffenbergschloss ein Menschenfreund mit urdeutschem Vor- und Nachnamen die Erinnerung wachhielt. So blieb wenigstens ihm ein unwürdiger AfD-Verbalbeschuss erspart.

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