Albstadt-Lautlingen

Konzert im Stauffenbergschloss: vier Meister auf 16 Saiten

23.01.2019

von Ulrike Zimmermann

Im Stauffenbergschloss sorgte das Varian Fry Quartett für außergewöhnliche Momente – und rührte fast zu Tränen.

Von wegen langweilige Kammermusik! Was die vier jungen Mitglieder der Berliner Philharmoniker im Lautlinger Staufenbergschloss präsentierten, war mehr als nur ein bravouröser Auftritt. Das Varian Fry Quartett, das 2013 seinen ersten Auftritt in Baden-Baden hatte, sorgte für außergewöhnliche Momente und führte virtuos durch musikalische Sphären. Berliner Klangkultur vom Feinsten.

Konzert im Stauffenbergschloss: vier Meister auf 16 Saiten

© Ulrike Zimmermann

Das Varian Fry Quartett, vier junge Mitglieder der Berliner Philharmoniker, spielte im Lautlinger Stauffenbergschloss.

Ihre musikalische Visitenkarte gab das Quartett gleich zum Konzertauftakt mit Beethovens Streichquartett Es-Dur op. 74 ab. Mit höchster Spielfreude reizten Marlene Ito (Violine), Philipp Bohnen (Violine), Martin von der Nahmer (Viola) und Rachel Helleur (Violoncello) ihre technischen und interpretatorischen Möglichkeiten aus. Als Napoleon 1809 Wien belagerte und die Stadt beschießen ließ, versteckte sich Beethoven im Keller seines Bruders und hielt sich mit einem Kopfkissen die Ohren zu, um sein Gehör vor dem Lärm zu schützen. Kurz danach machte sich der Komponist an die Arbeit seines 10. Streichquartetts.

Die keinesfalls beschauliche, sondern schwermütige Einleitung voller harter Dissonanzen geht in sehr feine Klangfarben und einem gezupften, harfenarteigen Dialog aller vier Instrumente über. Das gleichmäßig fließende Spiel der ersten Violine wird vom Violoncello, dann von der Viola und schließlich von der zweiten Violine immer nachdrücklicher mit aufsteigenden Arpeggien unterlegt. Die Musiker halten diese kontrastreiche Spannung bis zum Finale, obwohl der beruhigende vierte Satz nach dem Ideenfeuerwerk der ersten drei Sätze etwas abfällt und eher friedvolle Stimmung verbreitet.

Von Beethoven zur Moderne: Vor der Pause gab es Wolfgang Rihms „Grave“ in memoriam Jan Diesselhorst – ihrem ehemaligen Lehrer an der Karajan-Akademie – zu hören. Da wurde das Cello gezupft, dass man befürchten musste, die Saiten reißen. Dann sägten die Bögen stumpf über die Geigen oder es quietschte in den Ohren und immer wieder machte ein überraschend wuchtiger Ton die aufkommende Harmonie zunichte. Großartig das Spiel von Rachel Helleur auf dem Cello, des ehemaligen Cellisten des Philharmonia Quartetts Jan Diesselhorst.

In die tragische Spannungssphäre zwischen Sein und Vergehen führte Schuberts d-Moll Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“. Nichts für schwache Nerven. Das intensive und eindringliche Werk zeigt die Unausweichlichkeit des Todes. Quälend schön, markerschütternd und faszinierend zugleich vermag das Varian Fry Quartett das Thema umzusetzen. Mit Punktierungen, abwärts führenden Triolen und Sechzehntel-Läufen wird schon im ersten Satz der Charakter des Stücks deutlich. Das homogene Quartett zeigt großes Können: Welcher Atem, welche Tiefe im Adagio, dessen Längen fast zu Tränen rühren.

Die Instrumente schluchzen, schmeicheln, flehen, drohen und weinen bis zum erschütternden Presto. Nach einem letzten Aufbäumen unterliegt die Gehetzte ihrem Peiniger und schließt ihren Frieden mit dem unausweichlichen Schicksal. Aufgewühlte Zuhörer bedankten sich bei den exzellenten Musikern mit nicht enden wollenden Beifall, die sich trotzt sichtbarer Erschöpfung mit einem Menuett als Zugabe verabschiedeten.

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