Dautmergen

Das Las Vegas des Oberen Schlichemtals

06.02.2019

Im Dautmerger Gemeindearchiv wurde ein interessantes Schriftstück aus dem Jahr 1840 gefunden.

Im Gemeindearchiv befindet sich ein interessantes Schriftstück. Es ist auf den 18. Juli 1840 datiert und richtet sich an das königlich hochlöbliche Oberamt Rottweil. Wir veröffentlichen es auszugsweise:

„Es ist bekannt, dass der hiesige Ort im Oberamt Rottweil (...) die ärmste Gemeinde ist. Es sollte daher allgemein darauf Bedacht genommen werden, wie diesem Übelstand, (...), abzuhelfen und wie überhaupt die wesentlichen Hindernisse, welche dieser Armut zugrunde liegen beseitigt werden könnten.

Die gehorsamst unterzeichneten beiden bürgerlichen Kollegien [Gemeinderat und Bürgerausschuss] haben sich schon mehr als einmal darüber beraten und dabei den ursprünglichen Grund unserer Armut in den schon längst verflossenen Jahren aufgefunden.

In früheren Zeiten war die hiesige Gemeinde wohlhabend. Die Gemeinde und die Einwohner hatten sich eines ordentlichen Wohlstandes zu erfreuen. Dann kamen vielfache Kriegszüge und eine schlechte Gemeindeverwaltung wurde viele Jahre geführt. Die Gemeindeverhältnisse wurden schlimmer, vor allem aber herrschte damals ein allgemeiner Hang zum Würfel- und Kegelspiel.

Turnierplatz der Spieler

Dautmergen war der Versammlungsort, gleich einem Turnierplatz, aller benachbarten Spieler.

Es bestanden immer zwei oder drei Kegelbahnen und die Gemeinde zählte nicht über 60 bis 70 Bürger. Äcker, Wiesen, Vieh, Hab und Gut rollten auf den Kegelbahnen dahin und kehrten nie wieder als freies Eigentum zurück. Die Gemeinde nahm, um ein Lehen abzulösen, ein Kapital von 8 000 Gulden auf. Die Ablösung unterblieb und in mehreren Jahren nachher hafteten 5 000 Gulden Zins auf diesem Kapital. Viel von diesem Geld wurde an hiesige Bürger, meistens Spieler, schlecht oder gar nicht versichert, verliehen; später gingen diese Anleihungen durch Ganten [Zwangsversteigerungen, Konkurse] verloren und der Gemeinde fiel die Schuld wieder zu. Nicht nur im Vaterort selbst trieben diese Spieler ihr Unwesen, sie trieben Vieh- und Fruchthandel im In- und Ausland und kehrten, nachdem sie ihre Ware verkauft hatten, meistens mit einer leeren Börse zurück. So entstand hier die jetzt so drückende Armut.

Zu der Zeit wo wir zum Königreich Württemberg kamen und man anfing die Gemeindeverwaltungen besser ins Auge zu fassen, sah man das Übel und die traurigen Folgen ein. Um das Übel nun an der Wurzel anzugreifen stellte man vor Allem das Würfel- und Kegelspiel ab, welches viele und große Schwierigkeiten fand, doch das Feld der Spieler wurde geräumt.

Seit einem Jahr besteht aber hier wieder eine Kegelbahn, dagegen der hiesige Kirchenkonvent die früher gefassten Beschlüsse wieder in Wirksamkeit brachte. Aegidius Wager, Besitzer dieser fraglichen Kegelbahn, brachte es aber dahin, dass dieselbe als zulässig der Gesetze weiterhin bestehen dürfe.

Es ist den beiden bürgerlichen Kollegien nicht unbekannt, dass dieses Spiel als ein Vergnügen oder Recreation [Erholung] erlaubt sei, aber leider ist uns die traurige Erfahrung weit mehr bekannt, dass durch diese Erlaubnis das alte epidemische Übel wieder so stark und verderblich wie früher um sich greift.

(...).Sonntagsschul- und Christenlehr-Pflichtige mussten, weil sie während der Schul- und Christenlehr-Zeit auf der Kegelbahn zubrachten und spielten gestraft werden. So haben Werktagsschüler schon an drei und vier Orten Kegelbahnen errichtet; (...).

(...). Nach dem Gesetze sollte die Kegelbahn beaufsichtigt werden, dass nicht zu hoch gespielt werden kann. Allein für den Armen ist jedes Spiel zu hoch, und zu diesem Allem haben die Spieler schon so viele Mittel und Wege ausgedacht, dass der Aufseher fast immer mit einem neuen Feldgeschrei auftreten sollte, um die Spieler mit Umsicht im Zaume zu halten. (...).

Väter und Söhne spielen

Man möchte Blut weinen, wenn man die alten Spielgeschichten erzählen hört, wo Väter und Söhne in einem Tag oder einer Nacht 40, 50 bis 100 Gulden im Spiel verloren, wie sie da und dort 100 Gulden entlehnten und gleich nachher wieder verspielten.

(...) Und nun sollten wir sehen, wie dieses krebsartige und Unheil bringende Übel wieder ungehindert um sich greifen, den Frieden in den Ehen und Familien stören, und so gleichsam der Armut auf immer das Feld zu räumen.

Wir bitten nun gemeinschaftlich das königlich hochlöbliche Oberamt wolle doch dahin einwirken, dass diesem Unfug durch eine gänzliche und unbedingte Auflösung der fraglichen Kegelbahn gesteuert werde, denn nur in einer unbedingten Auflösung kann das Übel verbannt und die Jugend verwahrt bleiben.

(...) Gemeinderat: Schultheiß Karle…Bürgerausschuss: Obmann Mocker…“

Antwort des Oberamts

Das Oberamt antwortete, dass das Kegelspiel an sich nicht verboten werden kann. Verspielen aber einzelne Einwohner ihr Vermögen, so hat der Gemeinderat nach dem Polizeistrafgesetz vorzugehen und falls das nicht hilft sollen diese an das Oberamt gemeldet werden.

(Quelle: Gemeindearchiv Dautmergen v.Nr. 415)

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