Albstadt-Ebingen

Alles im richtigen Maßstab

12.03.2019

Eine Ausstellung dokumentiert die Anfänge der Landesvermessung im Königreich Württemberg. Hinter dem vermeintlich trockenen Thema verbirgt sich Spannendes.

Alles im richtigen Maßstab

© Dagmar Stuhrmann

Ausstellungsmacher Otto Bogenschütz erklärt, was es mit diesem Holzmodell auf sich hat: „Ein ähnlich aussehendes Gerüst stand viele Jahre auf dem Raichberg.“

Man schrieb das Jahr 1818, als der württembergische König Wilhelm I. die Landesvermessung anordnete. Das damals noch junge Königreich Württemberg litt unter den Folgen der napoleonischen Kriege und befand sich in einer schweren sozialen Krise. Extreme klimatische Ereignisse verursachten Missernten und in deren Folge Hungersnöte.

Als der König am 25. Mai 1818 das königliche Dekret zum Beginn einer Landesvermessung unterzeichnete, initiierte er ein Projekt, das weit mehr darstellte als die Vermessung des Königreichs Württemberg.

Die Landesvermessung reihte sich ein in eine größere Zahl zeitgleicher Reformen und Maßnahmen, welche die Not der Bevölkerung lindern und die politische Landschaft stabilisieren sollten. Unter anderem wurde die Landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt (heute Universität) in Hohenheim gegründet und das Landwirtschaftliche Hauptfest erstmals gefeiert.

Systematische Erfassung

Die Idee einer Landesvermessung und der Einrichtung eines Liegenschaftskatasters waren nicht neu. Neu war jedoch die systematische Erfassung des gesamten Landes. Hauptargument für die genaue Vermessung war insbesondere die Schaffung einer Grundlage für die gerechte Besteuerung von Grund und Boden.

Die Landesvermessung in Württemberg hatte große Bedeutung für die nachfolgenden geodätischen Entwicklungen. Ihre Zielsetzung umfasste neben der Aufstellung eines Grund-Steuer-Catasters insbesondere auch die Einrichtung eines geodätischen Grundlagennetzes, die topographische Landesaufnahme und die Herstellung von Kartenwerken.

Aus Anlass des runden Jubiläums erarbeitete das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung die Wanderausstellung, die durch das Land reist und derzeit Halt macht in der Stadtbücherei in Ebingen. Noch bis zum 15. März kann die Ausstellung besichtigt werden.

Otto Bogenschütz aus Hechingen hat federführend an der Ausstellung mitgewirkt. „Über alle Grundstücke des Königsreichs mussten maßstäbliche Grundstückspläne gefertigt werden“, erzählt er. „Dazu benötigte man einen Bezugsrahmen.“

Dieser wurde wie folgt festgelegt: Als Mittelpunkt diente die Sternwarte auf dem Schloss in Tübingen, als exakte Nordrichtung des Kartenwerks wurde der Winkel vom Polarstern zur Salmendinger Kapelle angehalten. Die Strecke vom Schloss Solitude wurde auf der geradeverlaufenden Straße nach Ludwigsburg mit Messstangen gemessen.

Auf dem Anfangs- und Endpunkt der Strecke wurden die Richtungen mit Winkelmessgeräten (Theodoliten) zu umliegenden markanten Geländepunkten und Kirchtürmen gemessen. Die Messungen wurden auf ausgewählte Geländepunkte im ganzen Königreich ausgeweitet. So konnten Dreiecke gebildet werden, bei denen die fehlenden Strecken von Dreiecken berechnet werden konnten.

Auf jedem Quadratkilometer wurde ein Bezugspunkt bestimmt. Von ihnen aus steckten die Geometer im Gelände die Eckpunkte der Flurkarten ab. „In diesem Rahmen maß jeder Geometer die Gebäude, die Grenzpunkte, die Gewässer, Wege und Straßen mit der Kreuzscheibe, dem Rechtwinkelgerät, auf Linien auf. So konnten vom ganzen Königreich Flurkarten im Maßstab 1:2500 gefertigt werden.“

Raichberg zentrale Rolle

Aus Genauigkeitsgründen wurden ab 1936 diese Bezugspunkte neu bestimmt. Der Punkt auf dem Raichberg nahm dabei eine zentrale Rolle ein.

Otto Bogenschütz erklärt, warum das so war: „Auf einem über 40 Meter hohen Holzgerüst wurden mit einem in der damaligen Zeit höchst genauen Winkelmessgerät die Richtungen zu einem Punkt beim Schloss Solitude, zu einem Punkt bei Donnstetten, zum Bussen, zur Dreifaltigkeitskirche und zu Punkten bei Hochmössingen und Emmingen gemessen. Nur mit einem Holzgerüst hatte man eine direkte Sicht zum Berg Bussen und zu den anderen ausgewählten Punkten, dessen Höhe zwischenliegende Bergrücken bestimmte. Das Holzgerüst stand noch nach dem Krieg auf dem Raichberg.“

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