Albstadt

Urteil im Doppelmordprozess von Altenstadt: Warum Albstädter ins Gefängnis muss

02.05.2024

von Anna Berger

Urteil im Doppelmordprozess von Altenstadt: Warum Albstädter ins Gefängnis muss

© picture alliance/dpa

Ein wegen Doppelmordes angeklagter Mann (links) und seine ebenfalls angeklagte Frau (rechts), hinter einem der Beihilfe angeklagten Mann aus Albstadt (Mitte), in der Anklagebank im Landgericht (Archivfoto).

Im Prozess um den Mord an einer Laupheimer Spielwarenhändlerin und ihrem Partner ist jetzt das Urteil verkündet worden. Die beiden Hauptangeklagten wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Der mitangeklagte Albstädter muss wegen Beihilfe zum Mord ebenfalls ins Gefängnis. Wie das Gericht sein Urteil begründet.

Heimtückisch und aus Habgier soll der 38-jährige Patrick O. gemeinsam mit seiner 33-jährigen Frau Julia den eigenen Vater und die Stiefmutter ermordet haben (wir berichteten). Am Donnerstag wurden die Eheleute vom Landgericht Memmingen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Die Kammer stellte auch die besondere Schwere der Schuld fest. Dies bedeutet, dass die Verurteilten nicht schon nach 15 Jahren aus der Haft entlassen werden können. Gegen einen 33-jährigen Mitangeklagten aus Albstadt ist zudem wegen Beihilfe zum Mord eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verhängt worden.

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Patrick O. hat sein Gesicht von der Besucherbank abgewandt, als das Urteil verkündet wird. Er trägt eine graue Jeans, dazu ein schwarzes Hemd. Eine OP-Maske verdeckt Mund und Nase. Was er bei der Urteilsverkündung empfindet, darüber lässt sich nur spekulieren.

Mordmerkmale: Heimtücke und Habgier

Lebenslang für ihn und für seine Frau Julia: Zu dieser Entscheidung ist das Landgericht Memmingen gekommen. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass die Eheleute in der Nacht vom 21. auf den 22. April 2023 in das benachbarte Wohnhaus der beiden Getöteten im Altenstadter Ortsteil Untereichen eingedrungen sind und gemeinsam die 55-Jährige mit 44 Messerstichen getötet und den 70-Jährigen erstickt haben. Eine Alleintäterschaft des nun verurteilten Patrick O.s sei zwar rein naturwissenschaftlich möglich, aber nicht wahrscheinlich. Auch sei es kein erweiterter Suizid gewesen, betont der Vorsitzende Richter Bernhard Lang bei der Urteilsverkündung.

Als Mordmerkmale führt Lang Heimtücke und Habgier an. Das Ehepaar habe die Getöteten im Schlafzimmer angegriffen und die Arglosigkeit der Situation ausgenutzt. Außerdem stellte Lang die besondere Schwere der Schuld fest.

Tatmotiv: Streit um Schenkung eines Hauses

Das Tatmotiv liegt nach Ansicht des Gerichts in einem Streit um die Schenkung eines Hauses des Vaters an seinen Sohn, die rückabgewickelt werden sollte. „Im Hinblick auf diese Rechtsstreitigkeit entwickelten sich extreme Hassgefühle, die sich steigerten und die in Chats und Sprachnachrichten zum Ausdruck gekommen sind“, so Lang. Einige dieser Nachrichten liest er bei der Urteilsverkündung exemplarisch vor: „Der Hurensohn von Erzeuger will meine Familie auf die Straße setzen, also eskaliere ich komplett jetzt.“

Ähnliche Tötungsphantasien äußerte wohl Julia O.: „Die Zeit wird kommen, wo er nicht mehr lebt und das wird schön sein“, schrieb sie über ihren Schwiegervater. Diese Chats seien kein „Dahergerede“, so Lang. Das zeige sich in der Wiederholung der Äußerungen. „Das sind keine reinen Gefühlsspitzen.“

„Die Angeklagten hatten einen Plan A, einen Plan B und einen Plan C“

Julia O. hält den Blick gesenkt, während Lang die Urteilsbegründung verliest. Ihr blondes Haar fällt offen auf die blütenweise Bluse. Ihre Wangen sind gerötet. Julia O. sei „keine defensive Mitläuferin“, sagt Lang über die Mutter.

„Die Angeklagten hatten einen Plan A, einen Plan B und einen Plan C“, erklärt Lang bei der Urteilsverkündung. Zunächst hätten sie den Plan gefasst, einen erweiterten Suizid vorzutäuschen. Plan B sei die Behinderung des Tatnachweises durch Beschaffen eines Alibis gewesen. Demnach sollen die Eheleute vor der Tat zu ihrem Freund nach Albstadt gefahren sein, der ihnen dann ein Fahrzeug zur Verfügung stellte, mit dem sie von Albstadt nach Altenstadt und zurück fuhren. Der Freund beaufsichtigte währenddessen das damals zweijährige Kind von Patrick und Julia O. und deaktivierte eine Wildtierkamera, die die Fahrt des Ehepaares zum Tatort hätte aufnehmen können.

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Plan C sei schließlich gewesen, dass die Alleintäterschaft von Patrick O. glaubhaft gemacht werden sollte. Dieser hatte Mitte April die Tötung von Vater und Schwiegermutter überraschend eingeräumt.

Aufklärungshilfe wirkt sich strafmildernd aus

Der Mitangeklagte aus Albstadt ist der einzige Angeklagte an diesem Tag, der den Vorsitzenden Richter bei der Urteilsverkündung anblickt. Drei Jahre und zehn Monate soll er wegen Beihilfe zum Mord in Haft. „Der Tötungsplan stammte bestimmt nicht von ihm“, ist sich die Kammer laut Lang sicher.

Doch ihm sei bewusst gewesen, dass Patrick O. und Julia O. plangemäß zwei Menschen töten wollten – „mit einem absoluten Vernichtungswillen“, wie Lang es ausdrückte. Indem er dem verurteilten Ehepaar ein Alibi verschafft, auf die mittlerweile dreijährige Tochter aufgepasst, die Wildtierkamera deaktiviert und sein Auto für die Fahrt von Albstadt nach Altenstadt und zurück zur Verfügung gestellt habe, habe er Patrick und Julia O. wesentlich unterstützt. „Er war in Kenntnis, dass zwei Menschen vernichtet werden sollten“, so Lang.

Strafmildernd hat sich laut dem Vorsitzenden Richter ausgewirkt, dass der 33-Jährige Aufklärungshilfe geleistet hat. Dazu gehört etwa folgende Aussage von Patrick O., die er nach der Tat geäußert haben soll: „Es sieht nicht mehr aus wie Selbstmord.“ Laut Richter Lang verdeutliche die Aussage, dass es einen Tötungsplan gab.

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Das Gericht folgt mit dem Urteil den Forderungen von Anklage und Nebenklage. Außerdem entschied die Kammer, dass Patrick und Julia O. Schmerzensgeld an die Tochter der getöteten 55-Jährigen zahlen müssen. Die Frau aus Laupheim hatte ihre getötete Mutter und deren Ehemann am Morgen nach der Tat gefunden und war in dem Schwurgerichtsverfahren mit ihrem Bruder als Nebenklägerin aufgetreten.

Verteidiger des Albstädters wollen rechtliche Schritte einlegen

Im Laufe des Verfahrens hatte sie eine Schmerzensgeldforderung vorgelegt. Begründet wurde dies mit dem Verlust der Mutter und dem Schock, den die Laupheimerin laut ihrer Anwältin Sümeyra Öz durch den grausigen Fund erlitten hat. Über die Höhe des Schmerzensgeldes muss nun aber noch ein Zivilgericht entscheiden. Öz hatte einen Betrag von mindestens 30.000 Euro gefordert.

Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden. Die Verteidiger des zu drei Jahren und zehn Monaten verurteilten Mannes aus Albstadt haben bereits angekündigt, rechtliche Schritte einlegen zu wollen. Es habe keinen Plan gegeben, betonte Anwalt Moritz Bode nach der Urteilsverkündung. Darum ergebe sich auch kein Beihilfevorsatz für seinen Mandanten.

Hinweis der Redaktion: In einer ersten Version schrieben wir, „die Schwiegermutter“ sei ermordet worden. Richtig ist „die Stiefmutter“. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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