Albstadt

46-Jährige aus dem Raum Albstadt wird Opfer von Liebesbetrug, aber als Geldwäscherin bestraft

19.02.2024

Von Pascal Tonnemacher

46-Jährige aus dem Raum Albstadt wird Opfer von Liebesbetrug, aber als Geldwäscherin bestraft

© Michael Würz

Die Frau ist am Landgericht Hechingen wegen leichtfertiger Geldwäsche zu einer Geldstrafe verurteilt worden (Symbolfoto).

Eine 46-Jährige aus dem Albstädter Umland ist online einem Liebesbetrüger auf den Leim gegangen. Als wäre das nicht schlimm genug: Blind vor Liebe hat sie für ihn, wie das Landgericht am Montag feststellte, sogar leichtfertig Geld gewaschen. Über eine Frau, die sowohl Opfer einer perfiden Masche, als auch verurteilte Täterin wurde.

„Persönlich tun Sie uns sehr leid“: So begann Albrecht Trick, Vorsitzender Richter am Landgericht Hechingen, am Montag seine Urteilsbegründung. Weder er und seine beiden Schöffinnen, noch die Staatsanwaltschaft verkannten die Tragödie, die hinter der Strafakte einer 46-Jährigen aus dem Albstädter Umfeld steckte. Es ist ein typischer Fall von sogenanntem Love Scam, ein Liebesbetrug, der weltweit täglich viele Male vorkommt, ein Millionengeschäft für Betrüger.

Betrüger sitzen im Ausland

Klar sei deshalb: „Die wahren Täter sitzen heute nicht hier“, sagte Richter Trick. Er spielte damit darauf an, dass die eigentlichen Straftäter wie in diesem Fall mutmaßlich in Nigeria sitzen und nicht zu ermitteln seien, wie auch der ermittelnde Kriminalpolizist als Zeuge schilderte.

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Trotz des Mitgefühls: Strafbar sei es gewesen, was die Frau gemacht hat, die 2021 mitten in der Corona-Pandemie und frisch getrennt in einem tiefen emotionalen Loch steckte. Wegen leichtfertiger Geldwäsche hat das Landgericht Hechingen die 46-Jährige daher zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft forderte 90 Tagessätze, die Verteidigung einen Freispruch.

Gewaschenes Geld wird eingezogen

Bezahlen muss die Frau zudem die 25.000 Euro, die sie nach Ansicht des Gerichts für einen Betrüger im Ausland gewaschen hat. Das Amtsgericht Albstadt hatte die Frau im Februar 2023 (wir berichteten) noch freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin Berufung eingelegt.

Doch was hat sie überhaupt gemacht? Eine lange und verwobene Geschichte in Kurzform: Ein Mann im Internet konnte im Sommer 2021 das Vertrauen und die Liebe der damals frisch getrennten und psychisch labilen Frau erarbeiten. Sie verguckte sich in einen Mann, der sie wertschätzte, viel Zeit mit ihr am Telefon verbracht und sie zum Lachen gebracht hat. Ein Mann, den sie aber nie im echten Leben sehen wird.

Nach kurzer Zeit benötigte der Mann, der sich als weltweit vernetzter NBA-Talentscout ausgab, Geld von der Angeklagten. Ihr Vater und eine Freundin helfen ihr dabei nicht, ihnen kommt es seltsam vor. Sie wiederum kratzt alles zusammen, überweist es ihm. Damit sein Deal nicht platzt und sie ihn dann endlich wirklich treffen kann. So hatte er es versprochen.

Geld nach Estland überwiesen

Dann wird sie den folgenschweren Fehler begehen: Die 46-Jährige wird 25.000 Euro von einem deutschen Konto bekommen und sie auf ein estnisches Konto überweisen. Dort wird es dann in eine Kryptowährung getauscht, der Empfänger verschleiert.

Doch warum braucht es die Frau von der Alb dazu? Das Konto von Alberto Bernado, wie sich der Betrüger nennt, sei gesperrt, er sitze in der Schweiz und komme nicht an sein Geld in London. Die 25.000 Euro seien Lieferkosten, die an eine chinesische Firma gehen sollen. Für die sei die Vorgehensweise über ein deutsches Konto günstiger und ansonsten könne die Ausrüstung für die Sporthalle nicht in die USA geliefert werden.

Geld kommt von anderer Betrogenen

Was sie nicht ahnt: Das Geld stammt von einer Frau, die mit derselben Masche ein paar Hundert Kilometer entfernt genauso betrogen wurde. Sie war am Montag als Zeugin geladen. Bernado sagte, die Frau sei die Lebensgefährtin eines Geschäftspartners, die dessen Finanzen regle. Die Angeklagte erhält also Geld aus einem Betrugsfall und überweist es weiter: Das ist Geldwäsche. Doch war es leichtfertig, also grob fahrlässig, und strafbar?

Trotz rosaroter Brille sei sie nicht naiv gewesen, betont die Angeklagte. Auf ihre Nachfragen hatte der Betrüger immer Antworten. Fadenscheinige Antworten, wie es das Gericht formulierte. Viele Alarmglocken hätten geschrillt, doch sie wollte sie nicht wahrhaben, so das Gericht. Warum soll ein weltweit vernetzter NBA-Talentscout mit einer Mutter in Irland, einer Anwältin in Peru und Geschäftspartnern in Deutschland (so lauteten seine Legenden) das Dorfkonto der Angeklagten benötigen? Das Gericht sieht eine grobe Fahrlässigkeit.

Aus Sicht der Angeklagten sehen

Diese subjektive Einschätzung teilte Verteidigerin Sina Boss nicht. „Hinterher ist man immer gescheiter“, fasste sie zusammen. In der Rückschau sei es womöglich fahrlässig gewesen, doch nicht leichtfertig, Man müsse es aus der damaligen Perspektive der Angeklagten sehen, die immer wieder nachgehakt habe und ein Vertrauen zu dem Mann aufgebaut habe. Der Betrüger wusste, welche Knöpfe er drücken muss, damit ihre Mandantin seinen Anweisungen Folge leisten würde.

Unter Tränen formulierte die Frau ihre letzten Worte vor Gericht: Sie sagte, dass es ihr um sich leid tue und auch um die ebenso betrogene Zeugin, deren Geld sie weitergeleitet habe. „Ich habe einen Fehler gemacht, aber das war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst“, sagte die 46-Jährige. Der Fall hat ihr nach eigenen Angaben ziemlich zugesetzt. Sie wisse nicht, ob sie sich je wieder auf jemanden einlassen könne.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, binnen einer Woche kann Revision eingelegt werden.

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