Fussball

„Fußball ist nicht immer planbar“: TSG-Aufsichtsrat Heinrich Sülzle im großen Interview

20.04.2024

Von Marcel Schlegel

„Fußball ist nicht immer planbar“: TSG-Aufsichtsrat Heinrich Sülzle im großen Interview

© Moschkon

Heinrich Sülzle prägt seit Jahren in zahlreichen unterschiedlichen Funktionen das Geschehen beim Regionalligisten TSG Balingen.

Regionalliga-Fußball bei der TSG Balingen? Unmöglich ohne Heinrich Sülzle, dem Geschäftsführer der Sülzle-Unternehmensgruppe. Seit 14 Jahren engagiert sich Sülzle beim Fußballverein aus der Kreisstadt – zunächst als Trikot-Sponsor, mittlerweile als Hauptsponsor, „Unterstützer für die Jugend“, wie Sülzle sagt, und als Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Herr Sülzle, im Tagesgeschäft geht der Blick für die Langstrecke zuweilen verloren. Was erstaunt Sie an der Entwicklung der TSG am meisten?

Heinrich Sülzle: Die TSG ist ein Amateurverein, der mit bescheidenen Mitteln sehr viel erreicht hat. Der Verein lebt erst durch eine breite Basis an Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Das ist nicht selbstverständlich und bewundernswert. Sinnbildlich hierfür steht das DFB-Pokal-Spiel vergangenen Sommer gegen den VfB Stuttgart. Erstmals überhaupt konnten wir zuvor den WFV-Pokal gewinnen und uns dabei gegen Vereine durchsetzen, die teils deutlich mehr Mittel zur Verfügung haben. Zudem wurde das Event in Reutlingen von knapp 300 Ehrenamtlern bewerkstelligt, was auf diesem Niveau eine Seltenheit darstellt.

+++ Jetzt kostenlos abonnieren: der ZAK-Whatsapp-Kanal +++

Dennoch werden solche Erfolge im Nachhinein mitunter als Selbstverständlichkeiten bewertet. Gibt es daher etwas, was Sie im Rückblick ärgert?

„Wo gehobelt wird, da fallen Späne“, heißt es. Bei der TSG wird viel gearbeitet, also gehobelt. Deshalb gibt‘s auch ein paar Späne, jedoch nichts, was in die Öffentlichkeit gehört.

Ging es dabei um Einzelinteressen?

An erster Stelle steht der Verein, nie individuelle Interessen. Die TSG macht das schon sehr gut; der Erfolg spricht für sich.

Diese Erfolgsgeschichte könnte nun ein zwischenzeitliches Ende finden. Die Regionalliga-Elf steht mit einem Bein in der Oberliga. Hätten Sie das im Sommer gedacht?

Stimmt, doch gleichzeitig spielt unsere U 23 eine sensationelle Saison und wird voraussichtlich in die Verbandsliga aufsteigen. Unter Ex-Coach Martin Braun spielte das Regionalliga-Team zuvor die erfolgreichste Saison der Vereinshistorie.

Hat man einen möglichen Abstieg im Sommer überhaupt einkalkuliert?
Fußball ist nicht immer planbar. Grundsätzlich waren wir uns der Möglichkeit eines Abstiegs aber stets bewusst, weil wir in dieser ambitionierten Liga immer der David sein werden, aufgrund unserer im Vergleich geringeren finanziellen Möglichkeiten.

Worin liegen die Gründe für den Rücksetzer?

Es gibt sicher nicht den einen Grund. In Leben wie Sport ist es oft so, dass nach einem Hoch auch mal ein Tief kommen kann.

Was stimmt Sie positiv, dass die Mannschaft das Ruder trotzdem noch herumreißen kann?

Wir haben ein tolles Team, das mit jeder Mannschaft mithalten kann. Gerade seit der Winterpause spielen wir wieder einen attraktiven Fußball. Auch haben wir jenes Selbstbewusstsein wiedergewonnen, das uns in der Vorrunde abhandengekommen war. Im Fußball ist vieles möglich.

Trainer Murat Isik kam im Winter für Martin Braun, der für die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte verantwortlich war. Wie ging es Ihnen mit der Entscheidung, Braun freizustellen?

Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Martin Braun. Deshalb war das eine schwierige Entscheidung, zumal er der erfolgreichste Trainer der TSG-Geschichte ist. Im Fußball entstehen nun mal eigene Dynamiken. Deshalb habe ich den Entschluss, auch wenn es mir schwergefallen ist, mitgetragen.

Wer trifft eine solche Entscheidung?

Die Vorstandschaft, natürlich nicht ohne eine interne Diskussion. Aber Verantwortung und Entscheidungsgewalt liegen beim Vorstand.

Wie haben Sie Isik bisher erlebt?

Er und das gesamte Trainerteam leisten eine extrem professionelle Arbeit. Murat ist total engagiert und identifiziert sich zu 100 Prozent mit der TSG. Man sieht, wie sich die Spielweise der Mannschaft verändert hat. So einen Systemwechsel, hin zu einem ballorientierten Fußball, in kurzer Zeit zu vollziehen, ist nicht einfach.

Ohne Ihre finanzielle Unterstützung wäre Regionalliga-Fußball in Balingen nicht möglich. Gleichwohl scheint der Werbefaktor für ein Unternehmen aus Ihrer Branche gering. Worin besteht die Motivation von Sülzle, die TSG zu unterstützen?

Die Sülzle-Gruppe ist ein wertebewusstes Familienunternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Wir agieren deutschlandweit, unsere Wurzeln liegen aber in Rosenfeld im Zollernalbkreis. Die TSG ist ein Amateurverein, der sich einen Namen in Baden-Württemberg und darüber hinaus gemacht hat. Es wird mit großem Respekt über die TSG gesprochen: über die sportlichen Leistungen, über den Verein an sich – mit seinen familiären Strukturen und den Werten, die hier gelebt werden. Wir fühlen uns der TSG daher sehr verbunden. Da ich früher selbst recht ambitioniert kickte, stehe ich dem Fußball zudem persönlich sehr nahe.

Was spielt Ihnen das Engagement zurück?

Natürlich möchten wir den Bekanntheitsgrad der Marke vergrößern, Menschen auf unsere Leistungen aufmerksam machen und zeigen, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind, der Mitarbeitenden vielfältige Chancen bietet. Im Idealfall gewinnen wir daher tolle Menschen für unser Unternehmen, aber auch Kunden. Auch nicht zu unterschätzen sind die Kontakte, die man durch die Sponsoren-Netzwerke knüpfen kann.

Was ist Ihnen in Bezug auf Ihre Sponsoring-Tätigkeit besonders wichtig?

Dass die Werte, für welche unsere Unternehmensgruppe und auch die TSG stehen, aktiv gelebt werden. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht mehr engagieren würden, wenn es in dieser Kategorie große Abweichungen gäbe. Vor allem liegt uns dabei die Entwicklung von jungen Menschen am Herzen.

Deren sportliche Entwicklung?

Es geht uns nicht darum, jeden zum Fußballprofi zu machen, sondern darum, Kinder und Jugendliche ganzheitlich auszubilden. Im Idealfall werden aus ihnen dann Persönlichkeiten, die engagiert, ehrlich, gesund, mutig und sportlich sind; die ihre Zukunft selbst gestalten und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wollen. Daher ist ein Teil unseres Sponsorings ausschließlich für die Jugendarbeit zu verwenden.

Inwieweit ist Ihr Engagement gekoppelt an Faktoren wie die wirtschaftliche Situation oder einen möglichen Abstieg?

Wir haben einen langfristigen Vertrag bis 2026 geschlossen. Wichtiger Faktor für unser Engagement sind die gemeinsamen Werte. Wenn das auch in Zukunft passt, werden wir die TSG weiter unterstützen – unabhängig von der Liga.

Ist Ihrerseits noch mehr finanzieller Support möglich?

Unser Engagement bei der TSG ist signifikant; wir haben dieses über die letzten Jahre auch weiter ausgebaut. Wir befinden uns nun an einer Grenze, die wir im Augenblick nicht überschreiten können.

Wen sponsoren Sie noch?

Neben der TSG, wo wir unser Hauptengagement konzentrieren, unterstützen wir noch mehr als 30 weitere Vereine und Organisationen, unter anderem auch den HBW Balingen-Weilstetten.

Wie steht es um den Wirtschaftsstandort Deutschland und den Zollernalbkreis?

Tatsächlich ist die aktuelle Situation nicht gerade rosig, besonders für Unternehmen, die wie wir stark für die Bauwirtschaft tätig sind. Das wird sich auch nicht so schnell ändern, dafür herrscht im Augenblick zu viel Unordnung. Auch fehlt das Vertrauen in vielen Bereichen. Ich bin jedoch Optimist: Deutschland, Baden-Württemberg und der Zollernalbkreis sind wirtschaftsstarke Regionen. Unternehmen wie Politik müssen ihre Hausaufgaben machen, dann werden wir auch diese Krise meistern. Von daher glaube ich, dass es spätestens 2026 wieder ein gutes Wachstum geben wird, vielleicht schaffen wir den Turnaround auch schon im Laufe des nächsten Jahres.

Die TSG muss sich mit Mannschaften aus größeren Städten, aber auch mit mehr Tradition messen. Ein Nachteil?

Zunächst schon. Die anderen Regionalliga-Vereine haben ganz andere Budgets. Je größer die Stadt, desto mehr Tradition steht hinter den Vereinen und desto größer sind deren Möglichkeiten. Sponsoren, Fans, Zuschauer – das sind die wichtigen Säulen und da haben uns viele Vereine einiges voraus. Allerdings sind wir ein Amateurverein mit einem hohen Engagement im Ehrenamt. Wir versuchen uns also in vielen Bereichen zu professionalisieren.

Und das klappt?

Ja, das gelingt sehr gut – und es macht ja auch den Reiz aus. Denn in den meisten Fällen sind wir der David, der sich mit dem Goliath messen muss. Der Fußball und die Vereine in der Region profitieren von der tollen Arbeit, die in Balingen geleistet wird.

Würden Sie sich mehr Support aus der Region wünschen?

Ja, vor allem von Firmen. Der Verein braucht eine noch breitere Basis an Unterstützern – vor allem auch im Bereich der Jugend. Kurzfristig sollten wir zudem bei den Mitgliedern die 1000 er-Marke erreichen, uns also verdoppeln. Und dann braucht es natürlich mehr Zuschauer am Rande der Eyach, bei allen Balinger Mannschaften. 1500 Zuschauer im Schnitt pro Heimspiel würde ich mir wünschen, was natürlich auch wirtschaftlich wichtig wäre (aktuell 950, d. Red.). Weiterhin können wir nie genug Menschen haben, die sich im Verein engagieren – die „TSG-Familie“ ist die Basis von allem. Auch unser zartes Pflänzchen einer Fan-Kultur darf gerne noch wachsen.

Als die Vereinsführung der TSG Balingen um Vorstand Eugen Straubinger im Rahmen der Ausgliederung der Fußballer vom Gesamtverein 2020 einen Aufsichtsrat einführte, übernahm der Rosenfelder Unternehmer Heinrich Sülzle dessen Vorsitz. In der externen Betrachtung bekommt das Gremium bis dahin kaum Aufmerksamkeit. Notwendig sei es für den Regionalliga-Verein, „weil wir uns an der Schwelle zum Profifußball bewegen und auch entsprechende Budgets verantwortet werden“, sagt Sülzle, der das gleichnamige Familienunternehmen, tätig in der Stahlbranche, bereits in vierter Generation führt, dies gemeinsam mit Bruder Andreas Sülzle. Den Aufsichtsrat bezeichnet Heinrich Sülzle einerseits als „Kontrollgang“. Andererseits sei das Gremium „auch ein Sparringspartner für den Vorstand“, so der Haupt- und Trikotsponsor der TSG. „Wichtige Entscheidungen werden mit dem Aufsichtsrat diskutiert. Die Mitglieder des Aufsichtsrates verstehen sich auch als Unterstützung des Vereins und bemühen sich, weitere Unterstützer für den Verein zu gewinnen.“ Die Vereinsführung, insbesondere die Geschäftsleitung mit Jonathan Annel mache „einen wahnsinnigen Job. Man kann sich als Verein glücklich schätzen, ein so tolles Team in der Geschäftsführung und dem Vorstand zu haben“, so Sülzle.

Diesen Artikel teilen: