Balingen

„Top10“ in Balingen schließt: Was Dirk Bamberger dazu bewegt hat, die Reißleine zu ziehen

03.04.2024

Von Jasmin Alber

„Top10“ in Balingen schließt: Was Dirk Bamberger dazu bewegt hat, die Reißleine zu ziehen

© Dennis Utrobicic

Dirk Bamberger (stehend, Vierter von links) und sein Team sagen „Auf Wiedersehen“. Bis Ende Mai ist das „Top10“ in Balingen noch geöffnet.

Ende Mai schließt das Balinger „Top10“. Das ist seit Dienstagabend Gewissheit. Betreiber Dirk Bamberger erklärt, warum er die Reißleine gezogen hat, wie es mit der Immobilie auf Gehrn nach dem letzten Öffnungstag und mit seinen Clubs am Bodensee weitergeht.

„Ich weiß gar nicht, wie ich mich fühlen soll“, sagt Dirk Bamberger am Mittwochvormittag. Er hat den Entschluss gefasst, seine Diskothek im Balinger Gewerbegebiet Gehrn Ende Mai zu schließen – 32 Jahre lang war erst der „Treffpunkt“, dann unter neuem Namen das „Top10“ eine Institution mit einem großen Einzugsradius. Menschen aus dem Zollernalbkreis, aber auch aus dem Schwarzwald, der Bodensee- und Neckar-Alb-Region sind nach Balingen zum Feiern gekommen.

Mehrere Faktoren

Er habe viele Dinge versucht, „das irgendwie zu retten“, den Betrieb weitergehen zu lassen. Es waren mehrere Faktoren, die ihn letztendlich zu seinem Entschluss gebracht haben. Eine davon sind die Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Zwei Jahre lang war der Club geschlossen. „Das war einfach zu lange“, so Bamberger. Und er habe einen Wandel bemerkt: Die jungen Menschen von heute, das „Top10“ lebt von den 18- bis 25-Jährigen, treffen sich – nicht zuletzt pandemiebedingt – heute eher im Privaten. Ausgehen hat nicht mehr den Stellenwert wie noch vor einigen Jahren.

„Sie haben sich anders eingerichtet“, sagt Bamberger und betont, das ohne Wertung festzustellen. Ins „In-den-Club-Gehen“ sei diese Generation gar nicht hineingewachsen. Dieser „Trend“ hatte dann aber Auswirkungen auf die Besucherzahlen in der Balinger Traditionsdiskothek; die jungen Erwachsenen, das Hauptpublikum, blieben aus. Der für knapp 1900 Gäste zugelassene Club lebe einfach davon, dass er voll ist, merkt er an.

„Top10“ in Balingen schließt: Was Dirk Bamberger dazu bewegt hat, die Reißleine zu ziehen

© Jasmin Alber

Dirk Bamberger hat sich dazu entschlossen, die Diskothek in Balingen Ende Mai zu schließen.

Dass ihm die Entscheidung, die Reißleine in Balingen zu ziehen schwer gefallen ist, merkt man ihm an. „Es ist sehr emotional für mich“, meint der Gastronom, der in seinen Job von Kindesbeinen an hineingewachsen ist, war doch sein Vater schon Vorreiter in der Diskothekenwelt der Region. „Das ist alles sehr, sehr traurig“, meint er. Andererseits blicke er gerne auf die vergangenen 32 Jahre zurück, von Anfang an war er im „Treffpunkt“ mit dabei. Und auch heute noch, bald 60, sei er glücklich, wenn er vor Ort die feiernden Menschen und deren fröhliche Gesichter sehe.

Mitarbeiter wollen bis Ende Mai noch mal alles geben

Es habe eine große Besprechung mit seinem Team – über 100 Aushilfen, vorwiegend Minijobber, sind neben den Festangestellten im „Top10“ Balingen beschäftigt – gegeben. Ein schwerer Schritt für ihn, wie er sagt. „Ich hatte immer viele tolle Mitarbeiter.“ Alle seien „total traurig“, hätten aber trotzdem zugesichert, in den kommenden Wochen noch mal alles zu geben und den Gästen zum Abschied eine schöne Zeit zu ermöglichen, sagt der Clubbetreiber. Sie sind größtenteils gekündigt. Bamberger hofft, dass sie eine andere gute Stelle finden und sichert zu, hier bei Bedarf zu unterstützen.

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Das Programm für die Zeit bis Ende Mai, das jung und alt ansprechen soll, werde derzeit erstellt und in der kommenden Woche veröffentlicht. Und, das verrät Bamberger schon, es wird am Pfingstsonntag noch einmal eine der beliebten Ü30-Partys geben. Das dürfte vor allem die einstigen Stammgäste freuen. Für viele war der Bamberger‘sche Club wie ein zweites Zuhause, etliche Menschen haben hier ihre Partner kennengelernt und damit den Grundstein für eine Familie gelegt, neue Freundschaften geschlossen, blickt er zurück.

Über sechs Millionen Gäste in 32 Jahren

Und natürlich unzählige Partynächte gefeiert: Hochgerechnet über sechs Millionen Besucher hatten „Treffpunkt“ und „Top10“ in den vergangenen 32 Jahren. Ein Erfolgsfaktor des Balinger Clubs war laut Bambergers Ansicht die Beständigkeit trotz des stetigen Wandels. Auf Trends und neue angesagte Musikrichtungen wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten reagiert. Und auf den Wandel reagiert Bamberger nun mit der Schließung.

Was nach Ende Mai kommt? Noch offen

Wie es nach dem letzten Öffnungstag Ende Mai weitergeht, ist laut Bamberger noch komplett offen. Das will er auf sich zukommen lassen und sich erst mal auf die nächsten Wochen konzentrieren. „Es wäre schön, wenn es irgendwann irgendwie weitergeht“, bemerkt er. Aber in welcher Form und unter welcher Regie, das stehe Stand jetzt noch in den Sternen. Ein Gedanke, mit dem er sich ebenfalls befassen will: Wie geht es mit dem inklusiven Event „Come together – dance together“, das er zusammen mit der Lebenshilfe Zollernalb etabliert hat, weiter? Eventuell kann das Erfolgsformat an einem anderen Ort weitergeführt werden …

In Singen geht es unverändert weiter

Was feststeht: Die Verwaltung, in der einige Mitarbeiter übernommen werden, bleibt jedenfalls in dem Gebäude auf Gehrn, dessen Eigentümer Bamberger ist. Denn am Bodensee geht es mit dem „Top10“ und dem „Erdbeermund“ in Singen weiter. Die beiden Betriebe wurden vor kurzem in das Top10-Gebäude zusammengelegt, wo jetzt zwei Clubs ein einem Gebäude, aber voneinander getrennt untergebracht sind. „Dort will ich meine Energie reinstecken, wenn hier geschlossen ist“, so Dirk Bamberger.

Welche Auswirkungen die „Berry’s“-Insolvenz hat

Und welche Auswirkungen hat der jüngst gestellte Insolvenzantrag für das „Berry’s“ in Konstanz? Dieser sei rein isoliert dort, sagt der Clubbetreiber, und habe nichts mit den anderen Betrieben zu tun. Es habe für das „Berry’s“ keinen anderen Weg als das Insolvenzverfahren gegeben, da aus der Coronazeit noch viele Mieten offen gewesen seien, die Umsätze aber gefehlt haben. Auch hier hoffe er, dass es „dort wieder weitergeht“. Am Osterwochenende habe man in dem Club, den Bamberger 2009 eröffnet hatte, die „Closing Party“ gefeiert.

Bamberger glaubt daran, dass Clubs eine Zukunft haben

„Ich brenne immer noch für die Branche“, betont Dirk Bamberger, der seit Jahren als Vizepräsident des Bundesverbands deutscher Discotheken und Tanzbetriebe im DEHOGA-Bundesverband tätig ist. „Ich finde nach wie vor wichtig, dass es Clubs gibt“, stellt der Balinger fest. Ein Ort, um dem Alltag zu entfliehen, an dem Leute zusammenkommen, zusammen Musik hören und tanzen. Das verbinde und stärke das Gemeinschaftsgefühl. Er formuliert hier auch einen Auftrag an die junge Bevölkerung. „Ich bin mir sicher, dass Clubs eine Zukunft haben, sterben wird die Branche nicht.“ Dafür werde er auch weiterhin im Verband kämpfen, bekräftigt der Unternehmer. In Balingen habe er aber „leider einen Schlussstrich ziehen müssen“.

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