Balingen

Was ist Kunst und was ist Freundschaft?

23.02.2018

von Thomas Godawa

Das Publikum erlebte ein eindrucksvolles Spiel in einer Komödie für drei Schauspieler.

In der Komödie „Kunst“ von Yasmina Reza in einer Inszenierung des Euro-Studios Landgraf geht es um ein Bild in weiß und um Männerfreundschaften. Wie geht das zusammen? Die Antwort auf diese Frage erlebten die Theaterbesucher in der Balinger Stadthalle in einem eindrucksvollen Spiel dreier prominenter Schauspieler, präsentiert vom ZOLLERN-ALB-KURIER. Serge, gespielt von Luc Veit, hat sich ein Ölgemälde in weiß gekauft, 1,60 auf 1,20 Meter im Format, und dafür 200 000 Franc bezahlt.

Was ist Kunst und was ist Freundschaft?

© Thomas Godawa

Heinrich Schafmeister als Yvan sitzt buchstäblich zwischen seinen Freunden Luc Feit als Serge (links) und Leonard Lansink als Marc(rechts) und bemüht sich um Ausgleich.

Es ist ein echter Antrios. Er zeigt es seinem Freund Marc, dargestellt von Leonard Lansink, der völlig schockiert ist und am Verstand seines Freundes zweifelt. Das Kunstobjekt bezeichnet er deshalb auch folgerichtig als „Scheiß“. Serge ist konsterniert, hatte er doch von seinem guten Freund positiven Zuspruch erwartet. Dabei bewegen sich die Schauspieler in einem spartanischen weißen Bühnenbild mit vier Stühlen.

Ihre Gedanken, die sie sich über den jeweils anderen machen, werden für den Zuschauer über Spotlights auf den jeweiligen Schauspieler und die Verdunkelung des Bühnenraumes sichtbar gemacht. In der Dreierkonstellation ist Heinrich Schafmeister in der Rolle des Yvan, der auch noch kurz vor seiner Hochzeit steht, die tragische Figur des Prügelknaben. Er hat nicht nur die Aggression der buckeligen Verwandtschaft zu ertragen, sondern auch die auf ihn niederprasselnde Wut der beiden Freunde. Doch wie kommt es vom weißen Ölgemälde zur schwarzen Auseinandersetzung? Das Bild wird zum Spiegel der Dreierbeziehung zwischen den Freunden. Wer dominiert wen, wer erfüllt Erwartungen, wer stellt welche Ansprüche und Anforderungen an die Beziehung? Es werden bei den einzelnen Charakteren die Vorlieben und die wunden Punkte aufgedeckt, ja geradezu entblößt. Die Nerven liegen blank und es kommt sogar zum Faustkampf zwischen Serge und Marc. Dabei ist allerdings Yvan der Leidtragende. Er stellt sich zwischen die beiden Streithähne und wird am Kopf getroffen.

Überhaupt ist Yvan der Katalysator für die beiden anderen. Er will Frieden und sitzt zwischen zwei Stühlen. Über seine Mittlerrolle wird die Eifersucht zutage gefördert und es stellt sich die Frage, wer wurde von wem benutzt oder genutzt. „Man muss seine Freunde immer überwachen, sonst entgleiten sie einem“, lautete eine Grundeinstellung von Marc. Und doch geht es auch um Respekt und Wertschätzung, die Akzeptanz des anderen in seiner Einzigartigkeit und die Offenheit für andere Sichtweisen.

Zum Schluss wird die weiße Leinwand von Marc, nach Aufforderung von Serge, mit rotem Filzstift bemalt, der sich allerdings auch wieder abwaschen lässt, was Serge vorher wusste. Damit wird die Phase der Versöhnung eingeleitet, über die sich keiner mehr freut als Yvan, der seine Freunde wiederhaben möchte.

Die drei professionellen Protagonisten erhielten vom Publikum im nicht ganz voll besetzten Großen Saal der Stadthalle lang anhaltenden Applaus für eine überzeugende und mitreißende komödiantische Vorstellung mit Tiefgang.

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