400 Millionen Euro: Kreistag des Zollernalbkreises fasst Baubeschluss für Zentralklinikum
19.02.2024
Wer hätte das vor Jahren in dieser Deutlichkeit gedacht: Mit 41 Ja-Stimmen, bei 8 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen fasste am Montag der Kreistag im Balinger Landratsamt den Baubeschluss für ein zentrales Krankenhaus im Gebiet „Firstäcker“ zwischen Balingen und Albstadt. Was das Jahrhundertprojekt aber doch noch ausbremsen könnte, das lesen Sie hier.
Wer glaubte, am Montag würden in der Sondersitzung des Kreistags in Sachen Zentralklinikum noch einmal so richtig verbal die Fetzen fliegen, der hatte sich gewaltig geirrt. Mit zwei Ausnahmen, doch dazu später. Erst vor wenigen Wochen waren die Mitglieder des Gremiums und der Landkreisverwaltung bei einem gemeinsamen, nichtöffentlichen Workshop das 400-Millionen-Euro-Projekt in all seinen Facetten und Details durchgegangen. Die Landkreisverwaltung hatte anschließend die Öffentlichkeit über Eckpunkte der Workshops informiert.
Ergebnis: Die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen übten sich am Montagabend in fast größtmöglicher Einigkeit bei der Erläuterung ihrer Zentralklinikums-Voten. Gleichwohl konnte ausschließlich Georg Freiherr von Cotta – seinen abwesenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Dietmar Foth vertretend – für die FDP vermelden, dass seine Fraktion geschlossen fürs Zentralklinikum stimmen wird. „Ein Klinikum oder gar kein Klinikum“, um nichts weniger gehe es bei dieser Entscheidung.
Bei der CDU, den Freien Wählern, den Grünen und der SPD hingegen vermeldeten die Fraktionsvorsitzenden Frank Schroft, Reinhold Schäfer, Konrad-Wiget-Vertreter Dr. Ulrich Kohaupt sowie Martin Frohme, dass ihre Fraktionen mehrheitlich zustimmen werden. Tatsächlich waren die Mehrheiten in allen vier Fällen recht hoch.
Schroft sprach von einer „historischen, überfälligen, aber ob der engen finanziellen Spielräume gleichwohl nicht leichtfertigen Entscheidung“. Schäfer wiederum mahnte, „dass die 400 Millionen Euro die absolute Obergrenze darstellen müssen“. Notfalls müsse am Gesamtprojekt baulich abgespeckt werden. Frohme hielt „den jetzigen Zeitpunkt für diese Entscheidung für richtig und notwendig“, ansonsten drohten Kostensteigerungen. Kohaupt wiederum brachte als Einziger noch einmal die Standortfrage ins Spiel und betonte, „dass der beschlossene Standort Firstäcker massive Eingriffe in die Natur zeitigen wird“.
Während sich die übrigen Zentralklinikums-Befürworter der fünf genannten Fraktionen persönlicher Stellungnahmen enthielten, begründeten einige Zentralklinikums-Gegner explizit ihr Nein. So waren Jürgen Fischer (SPD) und Werner Beck (FWV) jeweils der Ansicht, dass ein Zentralklinikum auf dem Gelände des jetzigen Balinger Krankenhauses die bessere Alternative gewesen wäre.
Und dann waren da ja noch die beiden eingangs erwähnten verbalen Ausnahmen von der ansonsten betont sachlichen Debatte. Andreas Hauser von der Fraktion LKR+Basis titulierte das Zentralklinikumsprojekt als „Größenwahn“. Was wiederum Landrat Pauli offensichtlich besonders missfiel. Seine persönliche Replik: „Wenn Sie, Herr Hauser, bei den Zentralklinikum-Workshops anwesend gewesen wären, hätte sich für Sie vielleicht das ein oder andere jetzt auch anders dargestellt.“
Erik Wille und die absolute Mehrheit
Und glaubt man Erik Wille, dem letzten verbliebenen AfD-Kreisrat im Zollernalbkreis, dann würde nicht das möglicherweise nicht zu realisierende Finanzierungskonzept dem Projekt Zentralklinikum doch noch den Garaus machen. Nein, er selbst und seine rechtspopulistischen Mitstreiter wären dann des Zentralklinikums Tod. Wortwörtlich: „Wenn wir hier im Kreistag eines Tages die absolute Mehrheit haben oder eine andere Mehrheit mit uns zustande gekommen sein wird, dann werden wir diesen Beschluss rückgängig machen.“ Die übrigen Mitglieder des Gremiums und die Landkreisverwaltung vernahmen Willes Worte überwiegend gelassen.
Der nächste wichtige Schritt auf dem Weg zum tatsächlichen Bau des Zentralklinikums auf der grünen Wiese ist im März das Gespräch von Landrat Günther-Martin Pauli mit den Zuständigen im Stuttgarter Sozialministerium. Schließlich soll das Land nach den Wünschen der Landkreisverwaltung 165 Millionen Euro an Fördermitteln für das Jahrhundertprojekt bereitstellen. Sicher ist diese Summe aber noch nicht. Was in allerletzter Konsequenz wohl den größeren Bauhinderungsgrund darstellen könnte als die örtliche AfD.
Votum für neue Struktur in Balingen und Albstadt
Neben dem Baubeschluss hieß der Kreistag am Montag auch die bis im Jahr 2025 umzusetzende Reform des Klinikum-Doppelstandorts mehrheitlich für gut. Geplant ist, Balingen zum Zentrum mit operativem Schwerpunkt samt zusätzlichem OP für rund 4,6 Millionen Euro umzugestalten. Albstadt wiederum zum Zentrum für innere Medizin. Ob Letzteres ganz ohne Anästhesie wird existieren können – Stichwort Internisten mit Zusatzqualifikation Intensivmedizin – ist laut Klinikumsgeschäftsführer Dr. Gerhard Hinger derzeit noch nicht zu beantworten.
Angelegt ist das alles aber im besten Fall lediglich für 6 Jahre. Denn im Jahr 2031 soll das Zentralklinikum seine Pforten öffnen, sollen die Abteilungen beider Häuser dann Schritt für Schritt umziehen.