Albstadt

Abschied nach 92 Jahren – letzter Gottesdienst in der Ebinger Friedenskirche

28.06.2024

Von Dagmar Stuhrmann

Abschied nach 92 Jahren – letzter Gottesdienst in der Ebinger Friedenskirche

© Dagmar Stuhrmann

Die evangelische Kirchengemeinde hat wohl einen Kaufinteressenten für die Friedenskirche gefunden. Ob das Gebäude weiter genutzt oder abgebrochen wird, ist noch offen.

Am 14. Juli ist es soweit: Dann findet der letzte Gottesdienst der evangelischen Kirchengemeinde Ebingen in der Friedenskirche statt. Die Kirchengemeinde trennt sich von dem besonderen Bauwerk, ein Kaufinteressent ist wohl gefunden worden. Doch beim Abschiedsgottesdienst soll es auch um den Blick nach vorne gehen.

Bekanntlich trennt sich die evangelische Kirchengemeinde Ebingen von einem Teil ihrer Immobilien. Laut Gebäudekonzept, das vom Kirchengemeinderat im September 2023 beschossen wurde, sollen die Friedenskirche, die Thomaskirche und das Gemeindehaus Spitalhof verkauft werden. Die Emmauskirche bleibt bestehen. Die Kapellkirche soll künftig auch von anderen Partnern mitgenutzt werden. Das CVJM-Haus wird renoviert.

Neue Nutzung oder Abriss?

Für die Friedenskirche hat die Kirchengemeinde inzwischen einen Kaufinteressenten gefunden. „Das Gebäude wird aller Voraussicht nach verkauft werden“, sagt der geschäftsführende Ebinger Pfarrer, Thomas Soffner. Was dann mit der Kirche geschehen wird, lässt er offen. Ob neue Nutzung oder Abriss – Stand jetzt sind offenbar beide Optionen denkbar.

Substanz ist angegriffen

Die Gebäudesubstanz ist angegriffen. Die Friedenskirche hat zwei stärkere Erdbeben überstanden, allerdings nicht ganz schadlos. Dazu kommen altersbedingte Makel, die zum Erhalt des Gebäudes eine Sanierung notwendig machen würden. Dafür müsste man Kosten in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro ansetzen.

Was dazu kommt: Die Landeskirche hat das Ziel ausgegeben, bis 2040 klimaneutral werden zu wollen. „Das bedeutet, dass die Kirche auch unter dem Energieaspekt ganz genau angeschaut werden müsste“, sagt Pfarrer Soffner. Das Gebäude energetisch auf den geforderten Stand zu bringen, würde viel Geld kosten – Geld, das die Kirchengemeinde nicht hat.

Abschied mit viel Musik

Der Abschied von der Friedenskirche soll nicht leise vonstattengehen: Beim letzten Gottesdienst in der Friedenskirche wird es viel Musik geben. Auf Initiative von Pfarrerin Ilze Druvina, zuständig für den Ebinger Westen, soll ein Erinnerungsbuch zur Friedenskirche entstehen. Mit vielen persönlichen Erfahrungen von Menschen, die in irgendeiner Weise Bezug zur Friedenskirche haben.

Es wird ein digitales Erinnerungsbuch werden. Wer Erlebnisse mit dem Gotteshaus

oder dem Kindergarten verbindet, kann Fotos und Texte per E-Mail an ilze.duvina@elkw.de einsenden. Die Gemeinde soll in den Abschiedsgottesdienst einbezogen werden.

Wie geht es mit dem Kindergarten weiter?

Den Kindergarten wird die Kirchengemeinde bis Juli 2025 weiterbetreiben, auch wenn die Kirche selbst nicht mehr genutzt wird. Danach muss die Stadt neue Plätze für die Kita-Kinder suchen.

Ganz ungenutzt ist die Kirche bis zur endgültigen Aufgabe nicht: Die Süddeutsche Gemeinschaft nutzt die Räume und hält dort zurzeit ihre Gottesdienste ab. Vieles, was sich in der Friedenskirche befindet, kann möglicherweise an andere Stelle wiederverwendet werden. Etwa die Stühle, die noch relativ neu sind. Für die Orgel gilt das allerdings nicht. Sie ist einem sehr schlechten Zustand und nicht zu reparieren.

Kirche hat eine lange Geschichte

Die Friedenskirche hat eine lange Geschichte. Als Ebingens Wohnbebauung sich Anfang des 20. Jahrhunderts immer weiter nach Westen ausdehnte, fiel die Entscheidung, dort eine neue Kirche zu bauen. 1932 wurde die Friedenskirche eingeweiht. Auf eine Turmuhr musste aus Sparsamkeitsgründen zuerst verzichtet werden. „Erst nach etwa 50 Jahren wurde eine solche unter der Federführung von Pfarrer Wilfried Blank eingebaut“, schreibt Herbert Friederich in seiner Zusammenfassung der Friedenskirchengeschichte.

Tafel mit geschichtlichen Daten

Der originale Zustand der Friedenskirche ist über die Jahrzehnte hinweg weitgehend erhalten geblieben. Sie wurde 1931/32 mit Gemeindezentrum und Kindergarten im sachlichen Bauhaus-Stil gebaut. „Es gibt in Süddeutschland nur wenige Kirchen in diesem Stil“, sagte Sibylle Biermann-Rau, die von 2006 bis 2016 Pfarrerin an der Friedenskirche war, bei ihrem Abschied von Ebingen. Sie hatte die Idee, die besondere Geschichte der Kirche für nachfolgende Generationen auf einer Tafel festzuhalten und setzte dieses Vorhaben zusammen mit dem Kirchengemeinderat um.

Abschied nach 92 Jahren – letzter Gottesdienst in der Ebinger Friedenskirche

© Dagmar Stuhrmann

Der Abschied von der Friedenskirche soll mit einem Gottesdienst gebührend gefeiert werden. Bei Pfarrer Thomas Soffner und Pfarrerin Ilze Druvina laufen bei den Vorbereitungen die Fäden zusammen.

Die Pläne für den Kirchenbau stammten von Hermann Baur. Das Gebäude steht auf dem früheren Gelände einer Munitionsfabrik. Als Brücke zwischen zwei Wohnsiedlungen gedacht, ist die Kirche von Nord nach Süd und nicht nach Osten ausgerichtet. Der schlichte Kirchenraum ist von rechtwinkligen Formen geprägt. Der Blick wird auf die beiden farbigen Glasfenster im Chorraum gelenkt, die 1932 von Walter Kohler/Stuttgart gestaltet wurden.

Einweihung im Jahr 1932

Die Geschichte der Friedenskirche ist nicht nur aus baulicher, sondern auch aus kirchenpolitischer Sicht interessant. Am 16. Oktober 1932 wurde die neue Kirche im Westen der Stadt – die Pläne trugen zunächst auch den Arbeitstitel „Westkirche“ – durch den württembergischen Kirchenpräsidenten Theophil Wurm eingeweiht. Dass die Kirchengründer dem neuen Bauwerk den Namen Friedenskirche gaben, erscheint aus heutiger Sicht wie eine ahnungsvolle Mahnung gegen den Kurs, den Deutschland kurz darauf eingeschlagen hat.

Der erste Friedenskirchenpfarrer Eberhard Krauß sammelte Anhänger der nationalsozialistisch gesinnten „Deutschen Christen“ um sich und drängte im Oktober 1934 kurzzeitig Landesbischof Wurm, der der Bekennenden Kirche angehörte, aus seinem Amt in Stuttgart. 1942 wurden 2 der 3 Glocken für die Kriegswirtschaft abgenommen. Sie wurden 1952 unter Pfarrer Strohal wieder ersetzt.

Erdbeben richten Schaden an

Nach einem Erdbeben im Mai 1943 wurde der Kirchenraum geschlossen und als

Lager für die Wehrmacht genutzt, während der Gemeinde der Saal und ein Raum in der Firma Rehfuß & Stocker in der Riedstraße zur Verfügung stand. Nach der Plünderung des Lagers bei Kriegsende 1945 wurden die Schäden an Turm und Kirche behoben. In den Jahren 1976/78 erfolgte der Einbau der neuen Fenster im Kirchenschiff und der Zentralheizung im ganzen Gebäude.

Die Westwand musste wegen Salpeterbefalls saniert werden. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet am Tag der Wiedereinweihung der vollständig renovierten Kirche, am 3. September 1978, bebte die Erde erneut – mit den bekannten Folgen. Auch die Friedenskirche erlitt schwere Schäden: Risse klafften an den Wänden, die Empore musste gesperrt werden, die Orgelpfeifen waren verschüttet. Erst 1982 waren die Reparaturarbeiten abgeschlossen.

Letzte Renovierung 2002

In den 1990er-Jahren wurde das Innere des Kirchenraums umgestaltet. Ein gotisches Crucifix aus der Martinskirche ersetzt seitdem das ursprüngliche Großkreuz vor den Chorfenstern. Die letzte Kirchenrenovierung, die den Charakter des Baustils wieder betont, ging im Jahr 2002 über die Bühne. Bilder und Teppiche an den Wänden sowie die Bänke verschwanden, der helle Raum bekam seine klaren Linien wieder zurück. Eine Strahlenheizung wurde eingebaut, auf dem Dach eine Photovoltaikanlage installiert.

Der letzte Gottesdienst der evangelischen Kirchengemeinde Ebingen in der Friedenskirche beginnt am 14. Juli um 10.45 Uhr.

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