Mit seinem Bang-Your-Head-Festival machte er Balingen laut und berühmt. Er brachte den Heavy Metal und damit zigtausende von Fans der harten Klänge aus aller Welt nach Balingen. Innerhalb kurzer Zeit etablierte er für über 20 Jahre eine neue Kultur in der Kulturstadt. Horst Franz – der Visionär, der Macher, der Organisator, der Verhandler, der Kumpel, das Original. Vor wenigen Tagen erlag er im Alter von 60 Jahren einer schweren Krankheit.

Als der Metal nach Balingen kam

Als im Juli 1999 Horst Odermatt, so sein damaliger Nachname, das erste Heavy-Metal-Festival auf dem Balinger Messegelände durchführte, ging ein Aufschrei durch die Stadt. Bang Your Head. Allein schon der Name ließ viele Einwohner einen Überfall langhaariger Rabauken und Krawallgetöse befürchten. Horst Franz aber wusste es besser. Er hatte eine Vision und er hatte Erfahrung mit dem Heavy Metal-Klientel, dem er als Herausgeber des Musik-Magazins „Heavy, oder was?!“ selbst auch angehörte.

Er pflegte Kontakte in die musikalischen Chefetagen der Szene und zu den Künstlern selbst. Und er organisierte bereits seit drei Jahren Metal-Konzerte - damals noch überschaubare Kleinkonzerte in der Stefan-Hartmann-Halle in Tübingen. Bald erkannte er, dass die Halle der Nachfrage nicht mehr gerecht wurde. Das damals konzertverwaiste Balinger Messegelände bot sich für eine Expansion an.

Und bald erkannte auch Balingen, dass die optisch bisweilen etwas angsteinflößende Metal-Gemeinde durchweg friedlich ihrer musikalischen Passion frönte. Mehr noch: Zum ersten Balinger Bang Your Head pilgerten an zwei Tagen bereits 18.000 Festivalbesucher, angezogen von sensationellen Bandgrößen wie Motörhead oder Dio, die Horst Franz dank seiner guten Kontakte für sein Open-Air-Debut verpflichten konnte. Das bescherte auch der örtlichen Gastronomie, Hotellerie und vor allem dem Getränkehandel ein deutliches Umsatzplus.

Das Festival und die Festival-Familie wachsen

In den Folgejahren verdoppelte sich die Besucherzahl, das Festival wurde auf drei Tage erweitert und immer mehr Zollernälbler wurden Teil der Bang-Your-Head-Familie, indem sie einen der begehrten Festival-Jobs „bei Horst“ ergatterten. Sei es als Bühnenbauer, als Bierzapfer, Koch oder Küchenhilfe, als VIP-Fahrer, Handwerker, Computer-Spezialist, Ticketverkäufer oder Bandbetreuer. Sogar Fremdenführer, die Besuchergruppen hinter die Kulissen der Bang-Your-Head-Welt führten, standen auf seiner Gehaltsliste.

DRK, Polizei und Feuerwehr hatten weder Mühe, ihre Dienstpläne für die Festival-Wochenenden zu besetzen, noch mussten sie sich verausgaben. Zusammen mit den Securities und Standbetreibern sowie den Pressevertretern und Fotografen entstand ein großes Team. Man kannte sich untereinander. Man fühlte sich als Familie. Selbst, wer mit der Musikrichtung nicht viel anfangen konnte, genoss einfach das Bang-Your-Head-Flair.

Heiratsantrag vor tausenden Headbangern

„Wo ist Horst?“ war über 20 Jahre lang die wohl am meisten gestellte Frage auf dem Balinger Messegelände. Wenn es irgendetwas zu regeln galt, ein Problem gelöst werden musste, es einer Entscheidung, einer Information oder Improvisation bedurfte, war er gefragt. Souverän händelte er auch schonmal den spontanen Besuch eines motorisierten Rockerclubs oder eine Stippvisite des Innenministers. Horst Franz war überall und nirgends. Irgendwann trugen seine engsten Mitarbeiter T-Shirts mit der Aufschrift „Nein, ich weiß nicht, wo Horst ist“.

Doch dann wurde er wieder gesichtet. Mitten auf dem Festivalgelände beim Plausch mit Fans oder backstage beim Mittagessen mit Bandmitgliedern oder im vertrauten Gespräch mit dem einstigen Stadthallen-Chef Uli Klingler oder Oberbürgermeister Dr. Edmund Merkel. Letzterer war es auch, der 2005 die Trauzeremonie für Horst und seine Partnerin Ines Franz leitete – im Pavillon hinter der Festivalbühne mit Dee Snider und Sebastian Bach als Trauzeugen. Zuvor hielt er um ihre Hand an. Auf der Festivalbühne vor 20.000 jubelnden Headbangern.

Dass man Horst Franz auch während des laufenden Programms – mal als Hauptdarsteller, mal als Zuschauer in allererster Reihe oder auch nur als Statist – auf der Bühne zu sehen bekam, war nichts Ungewöhnliches. Denn das Bang Your Head war untrennbar mit seinem Schöpfer verbunden. Im Gegensatz zu vielen anderen Festivals dieser Größenordnung wusste jeder Fan, wer der Veranstalter ist. Der Kult um das Festival strahlte auch auf ihn ab.

Das Bang Your Head bekommt ein Geschwisterchen

2006 erfüllte sich Horst Franz seinen zweiten Festival-Traum. Mit dem Rock of Ages brachte er ein familienorientiertes Open Air auf die grüne Wiese bei Seebronn nahe seines Wohnortes Ergenzingen. Ebenfalls mit namhaften Bands wie The Hooters, Jethro Tull oder Status Quo. Stilistisch also weniger heavy, mehr rockig und deutlich kleiner und regionaler ausgelegt als der große Bruder in

Balingen.

Auch hier bewies er eine glückliche Hand. Das Rock of Ages erfreute sich ebenfalls zunehmender Beliebtheit. Bis 2019 waren beide Festivals feste Größen in den Terminkalendern unzähliger Fans und Künstler. Freilich blieben diverse Schwierigkeiten und Querelen nicht aus, die der Festivalmacher auch gerne mal direkt beim Namen nannte – ob unter vier Augen oder öffentlich. Horst Franz war gerade heraus, ehrlich, direkt und auch streitbar. Er trug sein Herz auf der Zunge, was ihm zwar den ein oder anderen Ärger bescherte, aber hauptsächlich Sympathie und Respekt einbrachte.

Rock-of-Ages Comeback erlebt er sehr geschwächt

Während der Corona-Krise wurde es sehr still um Horst Franz und seine beiden Festivals. Im Mai 2022 wandte er sich dann schwer gezeichneter per Video-Botschaft an die Öffentlichkeit. Trotz einer schweren Erkrankung, die ihm damals bereits fast das Leben gekostet habe, zeigte er dennoch Zuversicht, dass beide Festivals wieder aufleben würden. Beim Rock of Ages sollte er Recht behalten, zumindest für 2023, das er – sehr geschwächt – noch miterlebte.

Am Dienstag gab Ines Franz den Tod ihres Mannes mit einem sehr persönlichen und bewegenden Statement auf Facebook offiziell bekannt. Seither füllen sich die sozialen Medien mit Beileidbezeugungen von Freunden, Fans und Künstlern. Die Anteilnahme ist so überwältigend wie die Trauer selbst.

Was auf jeden Fall bleibt, sind die schönen und wertvollen Erinnerungen, die Horst Franz mit seinen Festivals ermöglicht hat, der Ruf von Balingen als Metal-Hochburg und auch der Einfluss auf die lokale Musikszene: Wer weiß, wie viele Metal-Bands aus Balingen und der Umgebung sich gegründet haben, weil man mit dem Bang Your Head eines der größten Festivals der Szene direkt vor der Haustüre hat? Dass die Balinger Bandszene stark metallastig geprägt ist, kann kein Zufall sein. Auch das ist Horst Franz zu verdanken.

Stadtverwaltung würdigt den „Mittelpunkt der Balinger Heavy-Metal-Familie“

Die Balinger Stadtverwaltung reiht sich in die lange Liste der Beileidsbekundungen ein. In einem sehr persönlichen Nachruf nimmt sie Abschied vom Festivalmacher:

„Lieber Horst,

wir sind sehr traurig und tief betroffen, dass Du nun zusammen mit vielen Deiner geliebten Rockgrößen nach langer, schwerer Krankheit in den ewigen Rock-Olymp eingezogen bist. Seit 1999 bist Du Jahr für Jahr als Gast im Hotel Thum zumindest für einige Tage im Juli ein richtiger Balinger geworden. Dir folgten tausende Heavy-Metal-Fans aus Deutschland, Europa aber auch aus der ganzen Welt, die ein paar Tage rund um das Balinger Messegelände ihre temporäre Heimat fanden. Innerhalb weniger Jahre hast Du mit Deinem „Bang Your Head!!!“ am Standort Balingen ein wunderbares, vor allem friedliches Festival aufgebaut, dass sich aus einer Nische schnell zu einem der größten Heavy-Rock-Festivals entwickelt hat.

Dir ist es dabei stets gelungen, den familiären Charakter des Festivals zu bewahren. Du hast wie ein Löwe gegen die immer größeren Herausforderungen in der Veranstaltungsbranche gekämpft und Dich behauptet. Dank Deines einzigartigen Netzwerks fanden über zwei Jahrzehnte nahezu alle Bands von Rang und Namen aus diesem Genre den Weg nach Balingen. Du hast bei all den weltweiten Tourplänen immer ein treffendes Argument gefunden, warum ausgerechnet Balingen einen Zwischenstopp wert ist.

Wir verdanken Dir von 1999 bis 2019 insgesamt 21 unvergessliche Festivalsommer. Auch wenn diese in den Anfängen von einigen Einheimischen noch skeptisch betrachtet wurden, dauerte es nicht allzu lange, bis sich auch die breite Bevölkerung damit identifizierte. Dir ist es gelungen, Vereine und Institutionen einzubinden und schon bald war es aus dem jährlichen Terminkalender nicht mehr wegzudenken.

Außerhalb von Balingen kannte man unsere Stadt vor allem als Heavy-Metal-Hochburg und berichtet voller Stolz vom Festival – das ist alles Dein Verdienst. Wir verlieren mit Dir mehr als nur einen absolut überzeugten Festivalmacher, sondern den Mittelpunkt der Balinger-Heavy-Metal-Familie, die sich so nun nicht mehr treffen kann. Dein Festival, die vielen schönen Erinnerungen und vor allem die damit geschlossenen Freundschaften bleiben uns ewig unvergessen.

Unser ausdrückliches Mitgefühl gilt Deiner Familie!

Stay Heavy – R. I. P.“

Musiker und Wegbegleiter nehmen Abschied

Viele Bands und Musiker, die beim Bang Your Head und beim Rock of Ages aufgetreten sind, sind für Horst Franz zu Freunden geworden. Auch bei ihnen löste sein Tod große Anteilnahme aus:

Twisted-Sister-Frontmann Dee Snider, der auch Franz‘ Trauzeuge ist, nimmt Abschied von seinem befreundeten Festivalmacher.

Tobias Sammet (Edguy, Avantasia) spielte in verschiedenen Bands beim Bang Your Head und traf Horst Franz erstmals 1998. „Es gibt wahrscheinlich keinen in der deutschen Hard-Rock- und Metal-Szene der vergangenen 30 Jahre, der nicht mit Horst Gearbeitet, gelacht, geweint, gestritten oder einfach nur über Musik diskutiert hat“, schreibt Sammet in einem langen und emotionalen Abschiedsbrief.

„Ein Freund mit Ecken und Kanten und mächtig viel Mut im Gepäck“, schreibt der Balinger Rockverein über Horst Franz.

„Er hat an uns geglaubt und dafür sind wir ihm ewig dankbar“, schreibt die Burladinger Band Kissin‘ Dynamite, die 2023 als letzter Headliner beim Rock of Ages auftrat, über Horst Franz. Mit seinem Tod ende eine Ära.

Die Hard-Rocker von Axxis, die jeweils mehrmals beim Bang Your Head und beim Rock of Ages spielten, dankten Horst Franz für schöne Festivalerinnerungen und unterstrichen dessen Charakter.

Tankard nennen es eine Ehre, dass sie auf Horst Franz „geilen Festival“ auftreten durften.

„Danke für das, was Du uns gegeben hast“, heißt es beim Balinger Sonnenkeller.

„A true fan and supporter of heavy metal“, nennen die US-Metaller von Jag Panzer Horst Franz.

Auch Grave Digger reihten sich in die Beileidsbekundungen ein.