Balingen

Fröhlich, würdig und berührend: Balingen nimmt Abschied von Pfarrer Christof Seisser

05.05.2024

Von Barbara Szymanski

Fröhlich, würdig und berührend: Balingen nimmt Abschied von Pfarrer Christof Seisser

© Barbara Szymanski

Die Balinger Stadtkirche war brechend voll bei der Verabschiedung von Pfarrer Christof Seisser (Vierter von links).

Die Balinger Stadtkirche war so gut wie voll bei der fast dreistündigen Abschiedsfeier nach 29-jähriger Dienstzeit des Heselwanger Pfarrers Christof Seisser. Doch dieser begrüßte als zukünftiger Ruheständler, Familienmensch und dreifacher Opa zunächst seine acht Monate alte Enkelin Leana und kündigte an, dass diese wohl öfter „krähe“. Dieses Geräusch ließ das Kleinkind aufs Stichwort denn auch hören – Anlass für den ersten Lacher dieser Zeremonie.

Nicht nur deshalb war der Bann sofort gebrochen bei diesem fröhlichen und dennoch würdigen und berührenden Gottesdienst mit einer Menge Gruß- und Lobesworten aus Kirche und Gesellschaft. Auch die musikalischen Grüße des Organisten Tobias Oßwald und Lieder wie Jubilate Deo des großen Kirchenchors trugen dazu bei. Stimmgewaltig, rund und ergreifend hörte sich das an. Denn es wirkten mit der Kirchenchor Heselwangen unter Leitung von Ulrike Ehni, der Sängerbund Heselwangen unter der Leitung von Patrizia Lormes-Schreijäg sowie der Chor Allegria aus Engstlatt unter dem Dirigat von Birgit Knopp-Merz. Die Gemüter erreichte mit gefühlvoll gespielten Stücken auch der Posaunenchor Balingen-Heselwangen unter Leitung von Jürgen Stengel.

Jegliches hat seine Zeit

„Jetzt isch rom, schee isch g’sei“, sagte Pfarrer Seisser, der sich die berühmte Bibelstelle „Jegliches hat seine Zeit“ aus Prediger 3 für diesen seinen vorerst letzten Gottesdienst ausgesucht hatte. So könne man sich eine Liste anlegen, was zu tun sei zur rechten Zeit und diese abarbeiten. Nun aber könne er so ähnlich weitermachen, aber sich am Schluss einen Aperol Spritz oder ein Weizenbier in Ruhe genehmigen.

Er ist ein Genussmensch

Dass der von Dekan Michael Schneider später mit Handauflegen und Segnen entpflichtete Seisser mehr oder weniger als Genussmensch bekannt sei und künftig noch mehr in der Küche zaubern wolle, trüge übrigens auch den Spitznamen „Rostbratenbeauftragter der Gemeinde.“ Der Dekan sagte auch, dass Heselwangen ohne Seisser schwer vorstellbar sei. Und überhaupt ließe sich die Abkürzung Pfarrer i. R. in seinem Fall auch so auslegen: Pfarrer in Reichweite.

Er behält seine Ehrenämter

Denn der scheidende Seelsorger will nicht nur weiter begeistert Mountainbikerennen fahren, Skilaufen und mit seiner Frau, der Lehrerin Sabine, die weiland beim Deutschen Tanzabzeichen erworbenen Schritte auffrischen und eben Speis und Trank kultiviert genießen. Der 66-jährige in Ulm Geborene wird auch weiterhin einige Ehrenämter bekleiden, so bleibt er Mitglied des Ethik-Komitees des Zollernalb-Klinikums, das dafür sorgt, dass Behandlungen im Sinne des Patienten durchgeführt werden und arbeitet weiter in der ökumenischen Hospizgruppe mit. Zudem hat sich Christof Seisser aufstellen lassen zur Kommunalwahl am 9. Juni, und zwar für die Freien Wähler.


Gott ist nicht wegzudenken

Doch auch in seinem Abschiedsgottesdienst hatte Pfarrer Seisser viel zu tun. So klebte er aus unterschiedlich großen Pappstücken nach Puzzle-Art auf einer großen Tafel ein Rechteck zusammen, das die Gemeinde, respektive Gesellschaft, darstellt mit allen ihren unterschiedlichen Formen und Größen. Das mit viel Geduld von ihm erstellte Gebilde erhielt einen breiten silbernen Rahmen, was den alles bindenden Glauben symbolisieren sollte. Gott sei, laut Einstein, nicht wegzudenken. Deshalb: „Menschen mit Gott zu verbinden, das kann ich als Pfarrer jedem anbieten.“

Viele suchen noch das Gespräch mit ihm

Diese Basteleinlage war nicht alles. Pfarrer Seisser griff auch zur Gitarre, um mit Michael Damm, Peter Panka Völkle und Leiterin Simone Alena Hönisch bei der Kirchenband Heselwangen die berühmte Hymn von Barclay James Harvest zu spielen und zu singen. Großen Applaus im Kirchenrund gab es auch für das Lied Irgendwas bleibt von der Band Silbermond, das Seisser umgetextet hatte. Viele blieben beim Stehempfang mit Brezel und Kuchen, den der Musikverein Heselwangen unter Leitung von Erwin Nehlich organisiert hatte.

Es gibt zahlreiche Grußworte

Vor dem Stehempfang hatten einige seiner Wegbegleiter das Wort ergriffen. Oberbürgermeister Dirk Abel meinte, dass er berührt von diesem Gottesdienst sei, der Anlass zur Hoffnung sei, dass wieder mehr Menschen den Weg in die Kirche fänden. Seisser sei immer für die Menschen dagewesen. Dafür gebühre ihm Wertschätzung, Dank und „allergrößte Anerkennung“. Nachdem sich der Scheidende nicht für das Bürgermeisteramt habe bewerben und ihn ablösen wollen, habe sich dieser jedoch für die Mitwirkung im Gemeinderat aufstellen lassen.

Heselwanger waren zufrieden mit ihm

Berthold Roller, Ortsvorsteher von Heselwangen, erzählte, dass, es obwohl es im Dorf üblich sei, am Samstagnachmittag im Wald zu arbeiten, habe sich der Pfarrer lieber auf sein Fahrrad geschwungen. Eigentlich hätte die Dorfgemeinschaft ihm eine Traktorfahrt durchs Dorf schenken wollen, die Idee aber verworfen. Die Heselwanger seien mit seiner Arbeit in vielen Vereinen und Organisationen „zufrieden gewesen, was hier ja als Lob gilt.“

Er hinterlässt eine Lücke

Edith Pupke, 2. Vorsitzende des Kirchengemeinderates, überreichte Pfarrer Seisser eine leere Schale, die sich füllte mit Kräutertöpfen von Institutionen, in denen er tätig war. Beispielsweise im Kindergarten. Eine Erzieherin trug vor, dass die Kleinen den „Mann im schwarzen Kleid, der so cool Gitarre spielt und immer Amen sagt“, sehr mochten. Pupke betonte, dass Seisser eine große Lücke hinterließe wegen seines großen Engagements in allen Gremien des Dorfes.

Fröhlich, würdig und berührend: Balingen nimmt Abschied von Pfarrer Christof Seisser

© Barbara Szymanski

In seinem Abschiedsgottesdienst griff der beliebte Pfarrer auch zur Gitarre.

Manfred Heinzler,Geschäftsführer des Zollernalb-Klinikums entbot „ein herzliches Vergelt’s Gott“ für Seissers wertvolle Hilfe wie der Mitwirkung im Ethik-Komitee und der ökumenischen Gestaltung der Kapelle im Klinikum.

Offen für neue Ideen

Ulrike Erath, Pastoralreferentin der katholischen Heilig-Geist-Gemeinde, dankte Seisser für seine ökumenische Verbundenheit von Anfang an. Er sei immer offen gewesen für neue Ansätze und Ideen. Übrigens sei Seisser der Patient 0 bei der Corona-Pandemie im Landkreis gewesen nach einem Skiurlaub in Südtirol, aber auch der erste Genesende.


Bei Schülern beliebt

Diana Hofer, Rektorin der Längenfeldschule Balingen, erklärte, dass der Pfarrer als Religionslehrer ab 2000 ein wichtiger Teil der Schulgemeinschaft gewesen sei. Sie betonte: „Bildung braucht Religion und dafür braucht es ein eigenes Schulfach.“ Wie beliebt Seisser gewesen sei, habe die „Knuddel-Attacke“ der Schülerinnen und Schüler zum Abschied gezeigt am Donnerstag – übrigens Seissers Geburtstag.

Christoph Braunmiller, Pfarrer und Dekan-Stellvertreter erinnerte daran, dass er seinem Kollegen und langjährigen Freund Seisser Heselwangen empfohlen und ihn sozusagen nach Balingen geholt habe. „Es war eine beglückende Zeit mit dir, in der Vieles gelungen ist und wir zusammen viel erledigt, aber auch so manche Konflikte ausgetragen haben“, stellte er fest.

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