Sigmaringen

Hightech im Sigmaringer Krankenhaus: Hier operiert ein Roboter einen Leistenbruch

14.06.2024

von Mareike Keiper

Hightech im Sigmaringer Krankenhaus: Hier operiert ein Roboter einen Leistenbruch

© Chiara Paulus

Der neue OP-Roboter Da Vinci ist seit Mai im Sigmaringer Krankenhaus im Einsatz.

Die millionenschwere Technik kommt seit Frühjahr im Sigmaringer Krankenhaus zum Einsatz. Schwäbische.de war bei einer OP dabei und zeigt im Video, wie das funktioniert.

Die Patientin befindet sich schon auf der Liege, den Bauch mit bräunlicher Flüssigkeit desinfiziert, und längst in Narkose. Marco Huth, Chefarzt der Viszeralchirurgie, und der operationstechnische Assistent Raphael Göggel markieren auf dem Bauch, wo der Einschnitt gemacht wird, weiteres Personal ist an den Geräten zugange. Soweit so normal.

Doch diese Operation wird anders laufen als früher. Das wird spätestens dann klar, als die Mitarbeiter ein großes Gerät vom hinteren Ende des Raumes zur Patientin rollen: Es ist der OP-Roboter Da Vinci, den der Landkreis Sigmaringen der Klinik für 2,4 Millionen Euro finanziert hat.

Ausbildung findet in Norddeutschland statt

Seit einigen Wochen wird er eingesetzt. Der erste Fachbereich, der mit ihm gearbeitet hat, war die Viszeralchirurgie, derzeit folgt die Gynäkologie und im nächsten Schritt die Urologie, wie Kliniksprecherin Sandra Müller sagt. Huth war der erste, der mit dem Roboter operiert hat. Sechs Wochen sei er dafür in Kiel gewesen, um sich an einem Simulator fortbilden zu lassen, berichtet er. Zu Beginn habe er kleinere Eingriffe mit Da Vinci vorgenommen, inzwischen können alle auf diese Art gemacht werden – sofern der Patient zustimmt.

An diesem Morgen findet eine Hernien-OP statt, also die Operation eines Leistenbruchs. Nachdem Huth die Zugänge angebracht hat, verbindet er den Roboter mit ihnen und tritt vom Tisch in den Hintergrund. Göggel bleibt direkt neben der Patientin stehen. Er überwacht sie, falls irgendetwas nicht stimmen sollte.

Das passiert bei einem Stromausfall

Das, so Huth, sei aber noch nie passiert, denn der Roboter ist von demjenigen abhängig, der ihn bedient. Ohne Operateur bewegt er sich nicht, selbst bei einem Stromausfall könne also nichts weiter passieren. Schlimmstenfalls sei das Personal in der Lage, manuell einzugreifen und das OP-Werkzeug wieder zu entfernen.

Wie die Arbeit mit Da Vinci aussieht, zeigt Huth. Er sitzt am Gerät und bedient mehrere Fußpedale und zwei Greifarme. Damit steuert er Da Vinci. Vier Arme kann er einsetzen, drei benötigt Huth bei der Hernien-OP. Was er tut, verfolgt er auf einem Bildschirm in 3D-Optik. Davon schwärmt der Chirurg: „Man sieht viel besser und durch die Vergrößerung sind selbst kleinste Blutungen sichtbar.“

Zwei weitere Vorteile

Doch das ist nur einer der Vorteile am Operationssystem. Weil die kleinen Geräte einen größeren Bewegungsradius haben und der Roboter die Bewegungen des Arztes direkt umsetzt, fühle sich die Operation an, als führe er sie selbst aus, sagt Huth. Dafür müsse er auch nicht umdenken. Das wiederum sei bei minimalinvasiven Eingriffen nötig, also Operationen, die nur kleine Einschnitte erfordern und dann innerhalb des Körpers von Chirurgen durchgeführt werden.

Ein weiterer Pluspunkt: Der Roboter filtert laut Huth jedes Zittern heraus - „und jeder Mensch zittert ein bisschen.“ Wenn Gewebe beispielsweise über längere Zeit gehalten werden muss, was üblicherweise ein OP-Mitarbeiter übernimmt, könne ebenfalls der Roboter eingesetzt werden. Das schone das Personal, das ansonsten bei solchen Eingriffen über längere Zeit Muskelkraft aufbringen muss.

Die Sache hat einen Haken

Um die 60 Eingriffe hat Huth mit Da Vinci schon gemacht und dabei festgestellt, dass es durchaus auch einen Nachteil gibt: Operiert er selbst am Patienten, habe er ein anderes Gefühl für das Gewebe. Das fehle am Roboter.

Zeit erspare die Operation mit Da Vinci nicht, die Vorbereitung brauche länger als bisher. „Die große Frage ist aber: Ist Zeit der entscheidende Faktor? Ich finde, die Qualität ist entscheidend“, sagt Huth. Er sieht in der Robotik die Zukunft: „Deshalb ist es gut, früher junge Ärzte reinzuholen.“ Mit Thomas Müller wird derzeit ein zweiter Arzt der Sigmaringer Viszeralchirurgie an Da Vinci ausgebildet, auch eine zweite operationstechnische Assistentin macht eine Schulung, sodass der Roboter bald noch mehr Teil des OP-Alltags des Krankenhauses wird.

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