Schwenningen

Sagenumwobenes Schwenningen: Historischer Vortrag des Historikers Roland Steidle

17.04.2023

Von Wilfried Koch

Sagenumwobenes Schwenningen: Historischer Vortrag des Historikers Roland Steidle

© Wilfried Koch

Roland Steidle versucht, den Menschen geschichtliche Zusammenhänge auf die Heuberg-Region bezogen zu vermitteln.

Wer war Dr. Louis Schroff von Werenwag? Diese und viele weitere Fragen konnte Roland Steidle dem interessierten Publikum im Gasthaus Adler in Schwenningen beantworten. In seinem Vortrag sprach der passionierte Schwenninger Historiker nicht nur über die Geschichte der Gemeinde, sondern auch über die sagenumwobene Legende des kopflosen Schimmelreiters.

Die Schwenninger Bevölkerung hat eindrücklich widerlegt, dass ein Dorfgasthaussterben in Schwenningen zum Thema wird. Alt und Jung strömten kürzlich zu dieser Veranstaltung. Über achtzig Gäste im Alter von Mitte zwanzig bis Mitte achtzig Jahre konnten im Gasthaus Adler begrüßt werden.

Bekannter Vortragsredner zu Gast in der Heimat

Der Veranstalter, der örtliche Handels- und Gewerbeverein, hat zu diesem Vortrag mit dem in Schwenningen geborenen und nebenberuflichen Historiker Roland Steidle eingeladen. Roland Steidle ist ein profunder Kenner der Schwenninger Geschichte und darüber hinaus in der weiteren Umgebung, wie seine Vorträge in der Nusplinger Friedhofskirche St. Peter und Paul, einem der bedeutendsten Kulturdenkmäler der näheren Umgebung, beweisen.

Infrastruktur fotografisch festgehalten

Mit einer bebilderten Präsentation wurde zuerst die mittelalterliche und auch neuzeitliche dörfliche Infrastruktur dargestellt. Hierbei wurden auch die beiden Hilben, die obere und die untere, beschrieben, ebenso der Ort der langjährigen historischen Ziegelhütte bis um 1812 am alten Stetter Weg gelegen.

Alle Wege führen nach Straßberg

Es wurden die Wege von und nach Schwenningen dargestellt, auch wurden neue Erkenntnisse mitgeteilt. Insbesondere der direkte Weg nach Straßberg, bis heute dokumentiert mit einem Straßberger Gewannname „Am Schwenninger Weg“, wurde thematisiert. Aufgrund der gemeinsamen Geschichte zum Kloster Stein am Rhein gab es bis in das 16. Jahrhundert enge dienstliche, geschäftliche wie auch persönliche Kontakte.

Zusammenhängende Institutionen

Insbesondere die drei wirtschaftlich und politisch wichtigen Höfe, der Maierhof des Klosters Stein am Rhein, der Pfarrhof des jeweiligen Amtsinhabers und die herrschaftliche Taverne mit angehängtem, der Kirche gehörigen, landwirtschaftlichem Betrieb konnten historisch ab dem 13. Jahrhundert gut erfasst und den interessierten Besuchern dargestellt werden.

Dass der Gasthof Adler (die historische Taverne) nunmehr im Jahre 2023 seine 555-jährige urkundliche Ersterwähnung aus dem Jahr 1468 feiern kann, ist nur eine der vielen bemerkenswerten Darstellungen.

Klösterliche Familienbande

Eine Besonderheit stellt der Beuroner Hof dar. Er gehörte von mindestens 1379 bis 1453 den Rittern von Werenwag und war Privatbesitz. Wie Steidle anhand der historischen Urkunde von 1453 aufzeigen konnte, verkaufte die Familie von Werenwag den Hof mit seinem Zubehör an das Kloster Beuron.

Bemerkenswert an der gezeigten Urkunde ist vor allem das Wappen der Ritter von Werenwag. Dieses war als Siegel der Urkunde beigefügt und spiegelt den geschichtlichen Ursprung des heutigen Schwenninger Gemeindewappens wider.

Aufstieg durch Erbe

Des Weiteren ging Steidle auch auf die Geschichte der Laubenberger und Hörnlinger Höfe ein. Zur Namensentstehung des Laubenberger Hofs konnte Steidle eine schlüssige Erklärung anbieten. Um 1630 brachte sich Familie Martin Laubenberger durch das Erbe aus dem Testament des letzten Ritters, Friedrich von Laubenberg, wirtschaftlich in die Lage, den Hof zu erwerben. Die zugehörigen landwirtschaftlichen Güter gehörten dem Kloster Petershausen als Nachfolger des Klosters in Stein am Rhein.

Neue Ordnung

Eine Erklärung für den über Jahrhunderte benannten Hörnlinger Hof gibt es bis jetzt noch nicht. Der Name weist allerdings auf die von Österreich auf Werenwag eingesetzten Pfandherren und Administratoren, die Ritter von Hörnlingen, hin. Diese hatten die neu installierte österreichische Herrschaft Werenwag von 1392 bis 1467 in ihrer Verwaltung.

Gesammelte Archiv-Werke

Roland Steidle erläuterte den gebannten Zuschauern auch die Herkunft der gesammelten Unterlagen. Sie stammen aus den staatlichen Archiven von Baden-Württemberg, aus Bayern, aus Tirol und aus verschiedenen Schweizer Archiven. Dazu kommen Privatarchive, wie das fürstenbergische Hausarchiv in Donaueschingen.

Greifbar machen

Mit einer besonderen Information brachte der Historiker zum Schluss des Vortrages noch mal Spannung in die Zuhörerschaft. Er konnte eine bisher nur durch Legenden, die vor allem in Schwenningen und Irndorf bekannt waren, fassbare historische Person in den Archiven Stuttgart und Karlsruhe aufdecken.

Es handelt sich um die Legende des Werenwager Vogtes und Arztes Dr. Schroff, dem nachgesagt wurde, viele Bauern in Schwenningen und Irndorf um strittige Grundstücke durch Meineide gebracht zu haben.

Dieser soll nach seinem Tod zur Strafe in ein einzelstehendes Felsgebilde im oberen Ausgang des Finstertals beim Schwenninger Wanderparkplatz verwandelt worden sein. Oder auch als Schimmelreiter ohne Kopf durch die Werenwager, Schwenninger und Irndorfer Flure reiten.

Der Arzt und die Legende

Nicht bekannt war allerdings der zeitliche Kontext, in welchem diese Legende entstanden ist. Nach den nunmehr bekannten Archivangaben hatte Dr. Louis Schroff im Jahr 1808 seine Doktorprüfung in Stuttgart abgelegt. In dieser Zeit gehörte Schwenningen zum Patrimonialamt Werenwag und zum württembergischen Amt Ebingen (Oberamt Balingen).

Dr. Louis (Alois) Schroff stammte aus Rottweil und war herrschaftlicher Leibarzt der damals auf Werenwag residierenden Familie der Freiherren von Ulm-Erbach. Er hatte wohl auch administrative Aufgaben als Verwalter wahrzunehmen.

Gesellschaftlicher Status

Wie sein gesellschaftlicher Status in der von großen Veränderungen in Deutschland geprägten napoleonischen Zeit in den umliegenden Dörfern wahrgenommen wurde, ist derzeit nicht belegbar und nicht bekannt.

„Wer aber fast über 200 Jahre namentlich als ‚Schreckensgespenst‘ umher geht, hatte entweder tatsächlich ein sehr verwirktes Leben für die bäuerlichen Einwohner der Umgebung oder er stand als Synonym für jahrhundertealten und wiederkehrenden Machtmissbrauch“, so die Meinung Steidles.

Tod im Jahr ohne Sommer

Am 15. September 1816 starb Schroff auf Werenwag im Alter von 35 Jahren an einer Krankheit. Das war im „Jahr ohne Sommer“ 1816, in dem eine für damalige Verhältnisse gewaltige Klimakatastrophe durch den Vulkanausbruch des Tambora, der begonnen in Indonesien und dann weltumspannend für Hunger und Tod auch in Schwenningen gesorgt hat.

Weitere Vorträge geplant

Mit dieser Feststellung beendete Steidle seinen Vortrag über die Schwenninger Geschichte, die sicherlich vielen Interessierten noch lange im Gedächtnis haften bleiben wird. Der HGV plant aufgrund des riesigen Interesses der Bevölkerung an Roland Steidles Geschichtsrecherchen in einigen Monaten einen weiteren Vortrag mit dem Historiker.

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