Bisingen

„Sowas gab’s noch nie“: Bürgermeister, Landrat und Einsatzleitung zum Unwetter in Bisingen

03.05.2024

Von Benno Haile

„Sowas gab’s noch nie“: Bürgermeister, Landrat und Einsatzleitung zum Unwetter in Bisingen

© DRK Geislingen

Ein Drohnenfoto zeigt das Ausmaß der Überschwemmung in der Bisinger Ortsmitte.

Am Tag nach dem schweren Unwetter, das vor allem Bisingen heftig traf, ziehen die Einsatzkräfte, Landrat Günther-Martin Pauli und Bürgermeister Roman Waizenegger eine erste Bilanz. Die Aufräumarbeiten werden jedoch noch Wochen dauern.

„Ich hab mit vielen älteren Leuten gesprochen, die schon mehrere Hochwasser in Bisingen erlebt haben. Alle meinten, dass es so etwas noch nie gegeben hätte“, erklärt Bürgermeister Roman Waizenegger bei der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Tag nach dem Unwetter im Bisinger Feuerwehrhaus.

Eben dieses Feuerwehrhaus war am Donnerstagnachmittag selbst in Hochwassergefahr geraten: „Zum Zeitpunkt als wir alarmiert wurden, war das Ausmaß noch nicht bekannt“, erklärt Bisingens Feuerwehr-Kommandant Marc Mayer. Einen Vorgeschmack, auf das was die Einsatzkräfte in der Ortsmitte erwartet, gab es bereits vor den Türen des Feuerwehrhauses. Auch hier gab es Überschwemmungen: „Die Einsatzkräfte hatten Probleme, bei der Anfahrt überhaupt zum Feuerwehrhaus zu kommen.“

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In Bisingen selbst war der Bereich um den Marktplatz am stärksten betroffen. Weitere Schwerpunkte waren die Bachstraße in Steinhofen sowie in Thanheim entlang des Klingenbachs. Auch in den Ortsteilen Wessingen und Zimmern gab es Einsatzstellen; am schwersten traf es jedoch die Klingenbach-Anlieger.

Zehn Häuser sind unbewohnbar viele weitere stark beschädigt

„Die Schäden sind enorm, vor allem an den Häusern links und rechts des Klingenbachs“, erklärt Bürgermeister Waizenegger. Zehn bis zwölf Häuser seien aktuell – auch aufgrund der Ölheizungen in den Kellern – unbewohnbar.

Noch am Donnerstag habe man von Seiten der Gemeinde Notfallunterkünfte für die Bewohner organisiert: „Die mussten jedoch nur sporadisch genutzt werden: Die meisten kamen bei Angehörigen unter“, erklärt Waizenegger, der die Solidarität der Bürger untereinander hervorstellt: „Wer nicht selbst betroffen war, hat bis spät in die Nacht Nachbarn geholfen.“

Große Solidarität unter Bürgern und Einsatzkräften

Hilfe gab es für die Bisinger Einsatzkräfte auch von weiteren Abteilungen aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus von zahlreichen Bauhöfen und Unternehmen, die noch am Donnerstag mit dem Aufräumen begannen. Laut Angaben des Landratsamts waren rund 250 Mitglieder vom Technischen Hilfswerk, der Feuerwehr und der DLRG neben dem Roten Kreuz und der Polizei viele Stunden lang im Großeinsatz.

Aufgrund des großen Einsatzaufkommens musste zwischenzeitlich zusätzliches Personal bei der Leitstelle eingesetzt werden: „Binnen kürzester Zeit gab es über 350 Notrufe“, berichtet Kreisbrandmeister Sven Röger.

Zehn Personenrettungen, keine Verletzten

Die Priorität der Einsatzkräfte galt zunächst der Personenrettung. Zehn Personen mussten – meist aus überfluteten Kellern oder aus Fahrzeugen – in Sicherheit gebracht werden. „Ich war heilfroh, als wir um kurz nach Mitternacht Sicherheit hatten, dass es keine Vermissten gibt und niemand ernsthaft verletzt wurde“, sagt Bürgermeister Waizenegger.

Danach konnte mit den Aufräumarbeiten begonnen werden – auch weil es zu regnen aufgehört hatte und glücklicherweise kein weiterer Starkregen angesagt ist: „Sonst hätten sich unsere Prioritäten nochmal verschoben: Weg vom Keller auspumpen hin zum Bachbett ausräumen“, erklärt Kreisbrandmeister Röger.

Das Bachbett des Klingenbachs sei laut Bürgermeister Waizenegger nun etwa doppelt so breit wie zuvor, Schlamm und Erdreich wurden auf die Straßen und in die Keller und Erdgeschosse der Gebäude gespült.

Große Mengen an Schlamm, Schutt und Unrat

Diesen Schlamm loszuwerden, sei nun eine große Herausforderung – zumal die Pumpen der Feuerwehr dafür nicht ausgelegt sind. „Doch die vom THW können das“, erklärt Feuerwehrkommandant Mayer.

Für den Schlamm und die großen Mengen an Unrat, die das Hochwasser mitgespült hat und für beschädigte Einrichtungen lässt die Gemeinde Abfallcontainer aufstellen. Zudem sollen Bautrockner zur Verfügung gestellt werden, um die Feuchtigkeit aus überfluteten Räumen zu bekommen. Auch ein Spendenkonto für Hochwasser-Betroffene hat die Gemeinde bereits eingerichtet.

„Lässt sich nicht verhindern“

Trotz Hochwasserschutzmaßnahmen und vorheriger Unwetterwarnung lassen sich Hochwasserereignisse wie dieses in Bisingen nicht komplett verhindern, sind sich Landrat Günther Martin Pauli und Bürgermeister Waizenegger einig: „Das war kein Regen mehr, das war wie aus Eimern – und die Gewitterzelle blieb direkt über Bisingen stehen und zog nicht weiter. Auf so etwas Extremes kann man sich nicht vorbereiten“, erklärt. Waizenegger.

Dennoch sollen auch aus diesem Hochwasser die Lehren gezogen werden: „Wir werden das Stück für Stück aufarbeiten“, kündigt Landrat Pauli an. Einen „Vollkasko-Schutz“ könne es aber nie geben: „Über Jahrhunderte haben sich Städte und Gemeinden an Bächen und Flüssen angesiedelt – und ein Bachlauf ist immer risikoreich.“

Vergleich zum Killertal 2008

Pauli zog auch den Vergleich zum schweren Killertal-Hochwasser 2008: „Da wurde viel Geld in Hochwassermaßnahmen gesteckt. Ein vergleichbares Unwetter hat es dort aber seither nicht mehr gegeben. Wir wissen also nicht, wie sehr die Maßnahmen fruchten würden.“

Um schwere Folgen zu verhindern, appelliert Pauli an die Eigenverantwortung: „Jeder Einzelne kann danach schauen, dass im Garten nichts weggespült werden kann.“

Eigenverantwortung, Unvernunft und Katastrophentourismus

Mehr Verantwortungsgefühl und weniger Unvernunft hätten sich Landrat und Bürgermeister auch in den Stunden während des Hochwassereinsatzes gewünscht: Teilweise mussten die Einsatzkräfte Autofahrer abweisen, die versuchten durch die Fluten zu fahren. Andere waren nicht weniger selbstgefährdend zu Fuß unterwegs: „Die Leute sind durch das Hochwasser gestapft: Wenn es da drunter einen Gullideckel ausgehoben hat und die treten rein, sind die weg.“

Zudem kritisierten Waizenegger und Pauli den aufkommenden Katastrophentourismus: „Wenn ich dann sehe, wie ein Familienvater mit Kindern auf der Rückbank herfährt, damit es was zu sehen gibt, kann ich nur den Kopf schütteln“, so Pauli.

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