Zollernalbkreis

Wer zahlt die Millionenschäden nach dem Hochwasser? Versicherungsexperten geben Tipps

03.06.2024

von Robin Halle

Wer zahlt die Millionenschäden nach dem Hochwasser? Versicherungsexperten geben Tipps

© Sven Hoppe

Im oberbayerischen Reichertshofen und anderen Orten sind zahlreiche Häuser und Produktionsstätten überflutet. Experten raten, die Schäden sofort der Versicherung zu melden, um Schimmelbildung zu vermeiden. Für 94 Prozent aller Privathäuser in Baden-Württemberg wurde eine Elementarschaden-Versicherung abgeschlossen.

Die Schäden nach den aktuellen Hochwassern gehen in die Millionen. Bevor jedoch eine Versicherung aufkommt, müssen einige Punkte beachtet werden. Welche das sind.

Zerstörte Gebäude, vollgelaufene Keller, beschädigte Produktionsstätten: Das Hochwasser der vergangenen Tage hat Schäden in Millionenhöhe verursacht. Allein die R+V Versicherung schätzt die Schäden bei ihren Kunden auf rund 20 Millionen Euro. Bundesweit gesehen hatten Sturm, Hagel und Überschwemmungen im vergangenen Jahr sogar Zerstörungen im Wert von 5,7 Milliarden Euro ausgelöst – 1,7 Milliarden mehr als im Vorjahr (Quelle: Gesamtverband der Versicherer).

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Bevor eine Versicherung für die aktuellen Hochwasserschäden in Baden-Württemberg und Bayern aufkommt, müssen einige Punkte beachtet werden. Die „Schwäbische Zeitung“ hat bei Versicherungen und Interessengruppen nachgefragt.

Welche Versicherung greift bei Hochwasserschäden?

„Für eine finanzielle Absicherung bei Schäden durch Hochwasser und Starkregen braucht es eine spezielle Zusatzversicherung – eine sogenannte Elementarschaden-Versicherung“, sagt Karin Roller von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die Elementarschaden-Versicherung könne als Erweiterung einer Wohngebäude- oder Hausrat- oder Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden, die meist nur Sturm- und Hagelschäden abdecken. Dazu der Hinweis: „Man sollte während oder nach einer Beschädigung unbedingt dokumentieren, dass der Schaden aufgrund von Dreck- bzw. Hochwasser resultiert“, so Roller. Schäden durch Grundwasser, das „von unten“ in die Gebäude eindringt, seien nicht versichert.

Deutschlandweit sind nach Angaben der Verbraucherzentralen nur rund 45 Prozent aller Privathäuser gegen Schäden durch Hochwasser und Überschwemmung versichert. In Baden-Württemberg sind es aktuell rund 94 Prozent.

Was sollte während des anhaltenden Regens getan werden?

Jeder Versicherte hat eine Schadenminderungspflicht. Betroffene sind verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten und alles zu unternehmen, um Hausrat und Gebäude vor weiteren Schäden zu bewahren. „Es ist ratsam, dabei Fotos oder Videos zu erstellen“, sagt Julia Alice Böhne vom Bund der Versicherten e. V.. Versicherte seien allerdings nicht verpflichtet, überflutete Keller unter Lebensgefahr zu betreten, um Gegenstände zu sichern.

Wann wird die Versicherung verständigt?

Die Versicherung muss unmittelbar nach dem Schaden informiert werden. Idealerweise per E-Mail und Anruf unter Nennung der Versicherungsnummer. „Schnelligkeit ist sehr wichtig“, sagt Stefan Schmidt von der WGV-Versicherung, „das kontaminierte Dreckwasser kann zu Schimmel führen.“ Böhne ergänzt: „Die Dokumentation des Schadens und die Angaben über die geschätzte Schadenhöhe können einige Tage später erfolgen.“

Wichtig bei der Dokumentation: „Unmittelbar nach dem Schadensfall sollten Sie eine vollständige Liste aller zerstörten oder beschädigten Gegenstände erstellen“, sagt Böhne. Und: „Falls vorhanden, sollten Sie Einkaufsbelege hinzufügen. Falls Sie keine mehr haben, können Sie den Zeitpunkt der Anschaffung und den ungefähren Neupreis aus dem Gedächtnis aufschreiben.

Wie erfolgt die Schadenregulierung?

Der Versicherer wird mitteilen, ob man einen Handwerker beauftragen darf oder ob die Versicherung zuvor einen Sachverständigen vorbeischickt.

Um wie viel Geld geht es?

Noch offen. Allein schwere und teure Hagelschäden an Fahrzeugen verursachten im vergangenen Jahr bundesweit Schäden in Höhe von zwei Milliarden Euro, wie der Gesamtverband der Versicherer mitteilt. Der Schadendurchschnitt für Sturm- und Hagelschäden in der Kraftfahrtversicherung kletterte auf 4100 Euro – der dritthöchste Wert nach 1984 mit 4700 Euro und 2021 mit 4300 Euro. Bayern führte vergangenes Jahr mit einer Schadensumme von über zwei Milliarden Euro die Liste der Bundesländer an, gefolgt von Hessen mit etwa 890 Millionen Euro.

Worüber wird gestritten?

„Versicherungen zahlen gerne standardisierte Schadenersatzsummen nach Anzahl der Quadratmeter“, sagt Roller, „das kann bei teuren Anschaffungen von Nachteil für die Versicherten sein.“ Deshalb solle man alle Kaufbelege aufbewahren, regelmäßig Fotos erstellen und den Zustand von Gegenständen dokumentieren. Roller: „Grundsätzlich besteht bei einer Elementarversicherung das Recht, dass der Versicherte den zerstörten Haushalt neu beschaffen kann.“

Wann zahlt die Versicherung?

„Wenn alle Unterlagen vorgelegt sind, können Sie spätestens einen Monat nach Schadensanzeige eine Abschlagszahlung verlangen“, so Böhne. Dies sei in Paragraf 14 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes geregelt. Aktuelles Problem jedoch: Aufgrund der Vielzahl an Schäden in Baden-Württemberg und Bayern könne es dauern, bis die Versicherung einen Gutachter schickt. Zahlen gibt es zwar noch nicht, aber einige Gesellschaften planen bereits Sondermaßnahmen, um die Schadenbearbeitung zu beschleunigen.

Macht eine Elementarversicherung als Pflichtversicherung Sinn?

Laut Versicherungswirtschaft helfe eine Pflichtversicherung als alleiniges Mittel niemandem, weder Hausbesitzern noch Ländern und Kommunen. Oberste Priorität müssten „klimaangepasstes Planen, Bauen und Sanieren haben“, fordert Verbandsgeschäftsführer Jörg Asmussen. Prävention müsse fester Bestandteil der Landesbauordnungen werden – „sonst können wir uns schon jetzt auf Milliardenschäden bei künftigen Hochwassern gefasst machen“. Der GDV hatte bereits im Januar einen Katalog mit Anforderungen an einen umfassenden Naturgefahrenschutz vorgelegt.

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